Stellungnahme zur Rede zur Lage der Nation und zum Haushaltsentwurf für 2021

Die Lehren der vorigen Krisen wurden gezogen, allerdings bleiben die Ankündigungen unzureichend


Der OGBL hat die Rede zur Lage der Nation des Premiersministers Xavier Bettel vom 13. Oktober 2020 zur Kenntnis genommen und hat mit der Analyse des Haushaltsentwurfs für 2021 begonnen, der am 14. Oktober von Finanzminister Pierre Gramegna vorgelegt wurde. Der OGBL begrüßt zwar nachdrücklich eine Reihe positiver Ankündigungen der beiden Regierungsmitglieder, möchte aber auch betonen, dass diese angesichts des Ernstes der sozialen und wirtschaftlichen Lage, in der sich das Land derzeit befindet, und der zahlreichen bereits bestehenden Krisen, die sich im Kontext der Covid-19-Krise nur noch verschärft haben (Veränderungen in der Arbeitswelt, Wohnungswesen, Kaufkraft, Ungleichheiten, Klima…), noch unzureichend sind.

Unter den als positiv bewerteten Akzenten nimmt der OGBL insbesondere die erklärte Bereitschaft der Regierung zur Kenntnis, das Land nicht einer neuen Sparpolitik mit allen damit verbundenen katastrophalen Folgen – sozialer, wirtschaftlicher und politischer Art – zu unterwerfen. Die Lehren aus der Finanzkrise von 2008/2009 scheinen in diesem Punkt gezogen worden zu sein. Der Premierminister hat sogar die Bedeutung eines starken Sozialstaates betont und für dessen Stärkung plädiert. Der OGBL kann dies nur begrüßen. Das hohe Niveau der staatlichen Investitionen, das die Regierung aufrechterhalten will, wird ebenfalls vom OGBL als positiv bewertet, ebenso wie die offen gelassene Möglichkeit, weitere öffentliche Anleihen vorzuzunehmen, falls sich dies als notwendig erweisen sollte. Der luxemburgische Staat hat in diesem Bereich immer noch einen Handlungsspielraum, den es zu nutzen gilt, falls die Situation dies erfordert.

Der OGBL begrüßt auch die Tatsache, dass die Regierung – mit der bemerkenswerten Ausnahme der Einführung der CO2-Steuer – keine zusätzlichen (direkten oder indirekten) Steuererhöhungen angekündigt hat, die die Kaufkraft der Bevölkerungsschichten mit niedrigem und mittlerem Einkommen weiter schwächen würden.

Schließlich ist natürlich auch die Entscheidung, den Betrieben zu ermöglichen, von der Kurzarbeit über den 31. Dezember 2020 hinaus Gebrauch zu machen und die Bedingungen für den Zugang dazu im Rahmen des Sozialdialogs im Voraus festzulegen, eine gute Nachricht. Allerdings besteht der OGBL in diesem Zusammenhang bereits jetzt darauf, dass der Zugang zur Kurzarbeit zwingend an eine Reihe von Garantien geknüpft wird (Beschäftigungsgarantien; Beibehaltung der Vereinbarung, die garantiert, dass die Entschädigung nicht unter dem sozialen Mindestlohn liegen darf, um Einkommensverluste zu begrenzen …)

Andere Ankündigungen des Premierministers und des Finanzministers sind ihrerseits für den OGBL weitgehend unzureichend. Dies gilt für die im Zusammenhang mit der Einführung der CO2-Steuer vorgesehenen sozialen Kompensationen. Wenn der OGBL die Tatsache zwar begrüßt, dass die Regierung den Grundsatz einer nach Einkommen gestaffelten Entschädigung (degressiver Steuerkredit) eingeführt hat, ist er jedoch der Ansicht, dass der von der Regierung festgelegte Entschädigungshöchstbetrag (96 EUR) viel zu niedrig ist, um die neue Steuer wirklich auszugleichen, und bedauert, dass die Betroffenen ab einem steuerpflichtigen Jahreseinkommen von 80 000 EUR überhaupt keine Entschädigung mehr erhalten  (es sei darauf hingewiesen, dass der Durchschnittslohn in Luxemburg rund 65 000 EUR beträgt). Und wie verhält es sich mit den sehr kleinen Einkommen, die heute von der Steuer befreit sind? Werden sie überhaupt keine Entschädigung erhalten? Und was macht die Regierung mit ihrem so genannten „Verursacherprinzip“ bei Mietern, die keinen Einfluss auf die Art der in ihren Häusern verwendeten Energie haben, sei es zum Heizen, Waschen oder Kochen. Der OGBL fordert hier die Regierung auf, entweder Heizöl und Erdgas von der CO2-Steuer auszunehmen oder ein Rückerstattungssystem für Mieterhaushalte einzuführen. Auf jeden Fall ist diese neue CO2-Steuer, wie wir sehen, in sozialer Hinsicht keineswegs ausgeglichen.

Der OGBL hält es auch für inakzeptabel, dass die Regierung die 10%ige Erhöhung der Teuerungszulage im Zusammenhang mit der Einführung der CO2-Steuer als sozialen Ausgleich darstellt. Tatsächlich ist die Teuerungszulage seit 2009 nicht mehr angepasst worden, und ihre angekündigte Aufwertung kann daher bestenfalls als eine bescheidene und immer noch nicht ausreichende Anpassung angesehen werden, die schon vor langer Zeit hätte vorgenommen werden müssen. Der OGBL hatte die Verdoppelung der Höhe der fraglichen Zulage begrüßt, auch wenn es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme für das Jahr 2020 handelt. Diese Maßnahme war sehr wichtig, um den Kaufkraftverlust der betroffenen Haushalte während der Pandemie abzufedern. In Anbetracht der Entwicklung der Pandemie ist der OGBL der Ansicht, dass die Maßnahme nun bis 2021 verlängert werden sollte und dass, sobald die Pandemie gestoppt ist, ein Anstieg über die von der Regierung angekündigten 10% hinaus in Betracht gezogen werden sollte. Der OGBL bedauert auch, dass die verschiedenen Prämien, die die Regierung durch die neuen Einnahmen aus der CO2-Steuer zu erhöhen gedenkt (Elektromobilität und Energieeffizienz), nicht einem Progressionsprinzip unterliegen. In Abwesenheit eines solchen Prinzips werden sie nur den besser verdiendenden Haushalten zugutekommen.

Der OGBL stellt dann mit Erstaunen fest, dass die Regierung zwar immer noch plant, das unfaire und viel angeprangerte Stock Options-Regime als solches abzuschaffen, jetzt aber die Einführung eines weiteren Steuervergünstigungsregime ankündigt, diesmal in Form von „Beteiligungsprämien“, die allerdings der alten Maßnahme sehr zu ähneln scheinen.. Der OGBL ist gegen die Einführung einer solchen Regelung, die nur sehr hohe Gehälter begünstigt und damit neue Steuerungerechtigkeiten schafft.

Bleiben die Ankündigungen der Regierung im Kampf gegen die Wohnungskrise. Zunächst einmal begrüßt der OGBL die Erklärungen sowohl des Premierministers als auch des Finanzministers, dass es in Luxemburg tatsächlich greifbare Spekulationen im Grundstücks- und Immobiliensektor gibt und dass sie daher erste Ansätze zur Eindämmung der spekulativen Nachfrage durch neue Steuergesetze vorschlagen. Der OGBL wird die Einzelheiten und den Umfang der angekündigten Reform der spezialisierten Investmentfonds (FIS) und anderer Gesellschaftsformen analysieren und sie bezüglich des Prinzips der Steuergerechtigkeit prüfen. Im Übrigen bedauert der OGBL, dass die Regierung immer noch nicht vorhat, mehr Sozialwohnungen auf den Markt zu bringen (die Ziele der Regierung in diesem Bereich sind weitgehend unzureichend), noch die Gemeinden zur Förderung erschwinglicher Wohnungen zu veranlassen (angekündigte Reform des Wohnungspakts), noch ihren jüngsten Gesetzesentwurf über Mietverträge zu ändern (der von Grund auf überarbeitet werden muss), noch die Vermögenssteuer zu reformieren (durch Einführung der Progressivität, wobei das Eigenheim ausgenommen weden soll), noch eine nationale Bodenrückhaltungssteuer einzuführen. Kurz gesagt, die Ankündigungen der Regierung auf den Wohnraum bezogen bleiben insgesamt deutlich unter dem, was erforderlich wäre, um die Herausforderung der Wohnungskrise ernsthaft anzugehen

Abschließend bedauert der OGBL auch das Schweigen des Premierministers und des Finanzministers zu einer Reihe von Fragen, die zu den Prioritäten der Regierung gehören sollten. So wurden die notwendigen Reformen, die im Bereich des Arbeitsrechts (Plan zum Beschäftigungserhalt, Sozialplan, Konkurse, berufliche Weiterbildung, betriebliche Sozialbilanz, Gesetzgebung zum Kollektivvertrag…) notwendig sind, nicht einmal erwähnt. Dasselbe gilt für die Familienleistungen, für die der OGBL eine dringende Aufwertung und Neuindexierung fordert, zu der sich die Regierung bereits 2014 verpflichtet hatte.

Mitgeteilt vom OGBL
am 15. Oktober 2020

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