Edito

Richtige und falsche Weichen

André Roeltgen
Generalsekretär des OGBL

Der OGBL hat den politischen Wechsel befürwortet und der neuen Regierung seine konstruktive Mit-arbeit angeboten. Daran hat sich drei Monate nach der Wahl nichts geändert. Geändert hat sich auch nichts an dem, was sich der OGBL von dem politischen Wechsel erwartet. Nämlich die Abkehr von der arbeitnehmer-feindlichen Spar- und Austeritätspolitik, ohne die eine gesellschaftspolitische Erneuerung Luxemburgs und ein politischer Neuanfang undenkbar sind.

Dieser politische Anspruch steht im Übrigen nicht im Widerspruch zur notwendigen Überwindung gegenwärtiger finanzpolitischer Schwierigkeiten. Letztere werden vom OGBL nicht verneint. Der Wegfall der 700 Steuermillionen aus dem elektronischen Handel ist eine Realität. Wenn es allerdings um die allgemeine Einschätzung zukünftiger Haushaltsengpässe geht, sollte die Regierung angesichts der Erkenntnis der Fehlerhaftigkeit vergangener Prognosen große politische Vorsicht walten lassen.

Dies vor allem mit Blick auf die Finanzierung des Sozialstaats. Selbstverständlich dürfen staatliche Sozialleistungen überdacht und an neue Bedingungen angepasst werden. Sie sollen es sogar. Reformen bei den Sozialleistungen dürfen aber nicht Synonym für eine soziale Sparpolitik sein.

Für den OGBL ist ein moderner Sozialstaat weder einer, der den Abbau seiner Sozialleistungen vorantreibt, noch einer der sein Handeln ausschließlich auf die soziale Abfederung für die einkommensschwächsten Schichten der Bevölkerung begrenzen will. Umverteilung für mehr soziale Gerechtigkeit hat für alle Schichten der Gesellschaft zu gelten. Deshalb erwartet der OGBL von der Regierung, dass eine gerechtere Steuerpolitik umgesetzt wird, die u.a. nicht vor der Tür der Betriebe und der Spitzenverdiener Halt macht. Andererseits verschließt der OGBL sich nicht der Einführung von Sozialleistungen, die nach Einkommenshöhen gestaffelt werden.

In diesem Sinne hat der OGBL in seiner ersten Unterredung mit der neuen Familienministerin darauf hingewiesen, dass ihre Absicht bei neu geborenen Kindern die unterschiedliche Gewichtung des Kindergeldes gemäß der Rangfolge der Kinder abzuschaffen, mit einer Erhöhung des Grundbetrags kompensiert werden müsse. Verschiedene Sozialleistungen, wie beispielsweise das Kindergeld oder auch die Zulage für den Elternurlaub wurden seit Ende der 1990er Jahre nicht mehr an die allgemeine Einkommensentwicklung angepasst und haben durch die seit 2006 eingeführte Desindexierung einen zusätzlichen Wertverlust erlitten. Den gilt es für den OGBL jetzt zu verringern. In diesem Zusammenhang kommt es für den OGBL in Betracht, das Kindergeld zukünftig degressiv an die Einkommenssituation der Haushalte zu koppeln.
Der OGBL unterstützt die Ministerin in ihrem erklärten Anliegen, die Frau im Beruf zu fördern. Sollte sie ihre Absicht, die Erziehungszulage nach unten zu revidieren, umsetzen wollen, käme den berufstätigen Frauen und Eltern eine Umschichtung in Richtung Elternurlaubszulage sicherlich entgegen.

Der OGBL ruft die Regierung dazu auf, keinen neuen sozialpolitischen Feldzug gegen die Grenzgänger einzuleiten. Nach dem politischen Fiasko bei den Studienbeihilfen fordert der OGBL zum einen eine Reform, die für die Studierenden mindestens jene materielle Situation wiederherstellt, die vor dem Pfuschwerk der CSV-Minister Bestand hatte. Diese Rechnung summiert den abgeschaffenen Kinderbonus, das abgeschaffene Kindergeld und die nach dem Einkommen der Eltern gestaffelten ehemaligen direkten Studienbeihilfen. Zum anderen erwartet sich der OGBL von der Regierung, dass sie die Trickkiste mit den sozialen Naturalleistungen, die die Grenzgänger mitbezahlen aber nicht erhalten sollen, in die Ecke stellt.

Die Regierung hat noch für dieses Jahr eine zweiprozentige Erhöhung der Mehrwertsteuersätze (TVA) angekündigt. Diese Konsumsteuer ist und bleibt in vielfacher Hinsicht eine sozial ungerechte Steuer. Obwohl diese Steuererhöhung in der Indexierung der Löhne und der Renten berücksichtigt wird, würde es zu einem starken Kaufkraftverlust kommen, sollte die Regierung die im Januar 2012 eingeführte und bis Oktober 2014 geltende gesetzliche Manipulation des Index fortsetzen wollen.

Neben der integralen Wiederherstellung des normalen Indexsystems ab dem Datum der TVA-Erhöhung, fordert der OGBL deshalb die Regierung auf, zusätzliche Kompensationsmaßnahmen vorzusehen, um den steigenden Verlust an Kaufkraft zu stoppen. Mögliche Maßnahmen, die in Frage kommen, sind die fällige Anpassung der Einkommenssteuertabelle an die Inflation und die Erhöhung des Arbeitnehmersteuerkredits (CIS).