15. Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbundes vom 23. bis 26. Mai 2023 (Berlin)

“Gemeinsam für eine gerechte Behandlung der Beschäftigten”

Über 100 Mitgliedsorganisationen, die mehr als 45 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ganz Europa vertreten, kamen vom 23. bis 26. Mai 2023 in Berlin zum Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) zusammen. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das 50-jährige Bestehen des EGB gefeiert. Nach fünf Jahrzehnten des Kampfes hat der EGB sein Ziel nie aus den Augen verloren: den Kampf für eine gerechte und nachhaltige Zukunft für die Arbeitnehmer*innen und ihre Familien fortzusetzen.

Der Kongress ist nicht nur ein Schauplatz, an dem die europäische Gewerkschaftsbewegung in all ihrer Vielfalt zusammenkommt, sondern auch ein Anlass, um eine Bilanz der letzten vier Jahre zu ziehen und zu erörtern, was in den nächsten vier Jahren noch erreicht werden muss.

Vor dem Hintergrund eines sich wandelnden wirtschaftlichen und sozialen Umfelds hat der EGB insbesondere die Herausforderungen hervorgehoben, mit denen die europäischen Gewerkschaften heute konfrontiert sind und die sie in Zukunft annehmen müssen. Die Wirtschaftskrise und die Krise der Lebenshaltungskosten, von denen Europa derzeit betroffen ist, sind nur die Spitze des Eisbergs, unter dem sich in Wirklichkeit eine Reihe von Problemen verbirgt, die sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend verschärft haben: Schwächung und Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen, Ungleichheiten beim Sozialschutz, unsichere Beschäftigungsverhältnisse, Arbeitskräftemangel, Verlagerung europäischer Industrien und der Aufstieg der Rechtsextremen in der EU sind nur einige von vielen Beispielen.

Hinzu kommt die Schaffung neuer Geschäftsmodelle, die den Arbeitsalltag der Arbeitnehmer*innen auf den Kopf stellen, insbesondere durch das Aufkommen von künstlicher Intelligenz am Arbeitsplatz und den Übergang zu ökologisch fairen Firmenmodellen.  Angesichts des hohen Tempos und der Folgen dieser Entwicklungen ist ein neuer Ansatz zum Schutz der Beschäftigten von entscheidender Bedeutung.

In seinem vom Kongress verabschiedeten Aktionsprogramm ruft der EGB die europäischen Gewerkschafter und all jene, die die Ideale der europäischen Gewerkschaftsbewegung verteidigen, zu ambitionierten Aktionen auf. In seinem Programm verpflichtet er sich insbesondere dazu:

  • die Mobilisierungsfähigkeit der Gewerkschaften auf nationaler, regionaler und europäischer Ebene zu stärken, insbesondere durch die Koordinierung der gewerkschaftlichen Mobilisierung in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Mitgliedsorganisationen ;
  • Druck auf die EU auszuüben, damit sie endlich konkrete Maßnahmen zum Schutz der Arbeitsplätze und der Einkommen der Arbeitnehmer*innen unterbreitet, und die Gewerkschaften und Arbeitnehmer*innen in ihrem Kampf für eine echte Lohnerhöhung unterstützen ;
  • mehr praxisorientierte Unterstützung für die Mitgliedsorganisationen im Rahmen der Stärkung der Kollektivvertragsverhandlungen bereitzustellen. In diesem Zusammenhang verpflichtet sich der EGB unter anderem dazu, die Mitgliedsorganisationen bei der Umsetzung der Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der EU zu unterstützen ;
  • prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu bekämpfen, u. a. indem unbefristete Arbeitsverträge zum Standard in der EU gemacht werden und ein Verbot prekärer Beschäftigungsverhältnisse gefordert wird, die die schwächsten Erwerbstätigen benachteiligen. Darüber hinaus setzt sich der EGB für ein Verbot unbezahlter Praktika ein und fordert eine EU-Richtlinie über qualitativ hochwertige Praktika,
  • Veränderungen im Rahmen des grünen Übergangs frühzeitig zu erkennen, indem für eine Richtlinie über einen fairen Wandel in der Arbeitswelt plädiert wird ;
  • angesichts des digitalen Übergangs tätig zu werden, indem die Kommission aufgefordert wird, eine Richtlinie über den Einsatz algorithmischer Systeme am Arbeitsplatz zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang betont der EGB, dass sichergestellt werden muss, dass die menschliche Kontrolle stets Vorrang vor automatisierten Entscheidungsprozessen hat. Darüber hinaus verpflichtet sich der EGB, eine Rahmenvereinbarung über Telearbeit und das Recht auf Abschalten auszuhandeln, um dann vorzuschlagen, diese in eine Richtlinie zu integrieren ;
  • die Gewerkschaften bei ihren Kampagnen für kürzere Arbeitszeiten zu unterstützen ;
  • sich für eine starke europäische Industriepolitik einzusetzen, die wirksame öffentliche Investitionen vorsieht, die qualitativ hochwertige Arbeitsplätze unterstützen. Der EGB wird sich auch für Investitionen in öffentliche Dienstleistungen und Sozialschutz einsetzen, um Armut und Ungleichheit zu beseitigen, sowie für eine europäische geldpolitische Strategie, die auf Vollbeschäftigung und hochwertige Arbeitsplätze ausgerichtet ist ;
  • den europäischen Sozialdialog zu stärken, der ohne einen starken nationalen Sozialdialog nicht möglich sein wird.
  • sich für ein tatsächliches Recht auf Ausbildung und lebenslanges Lernen einzusetzen.

Weitere Themen des Kongresses waren die beschäftigungspolitische Agenda des Parlaments, der Aufstieg der Rechtsextremen in Europa und die nächsten Europawahlen, die 2024 stattfinden werden.

Wie bei jedem Kongress wurde auch die neue Zusammensetzung des EGB-Sekretariats verabschiedet:

  • Wolfgang Katzian, Vorsitzender des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), wurde zum Präsidenten des EGB gewählt.
  • Esther Lynch (ICTU), wurde zur Generalsekretärin des EGB gewählt.
  • Isabelle Schömann (DGB) und Claes-Mikael Stahl (LO-Schweden) wurden zu stellvertretenden Generalsekretären des EGB gewählt.
  • Ludovic Voet (CSC), Tea Jarc (ZSSS) und Guilio Romani (CISL) wurden zu EGB-Sekretären gewählt.

Luxemburg war beim EGB-Kongress durch Véronique Eischen, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des OGBL, Jean-Claude Reding, Vizepräsident der Arbeitnehmerkammer Luxemburg, Georges Merenz, Präsident des Landesverbands (FNCTTFEL) und Vizepräsident des OGBL, vertreten. Der LCGB war durch Katia Neves, Missionsbeauftragte des gemeinsamen Europasekretariats von OGBL und LCGB (SECEC), vertreten.

Als Mitgliedsorganisation des EGB unterstützt der OGBL das ehrgeizige Aktionsprogramm des EGB. Aufgrund seiner Bedeutung für die Arbeitnehmer*innen in Luxemburg wird es auch Gegenstand von Diskussionen und eines Aktionsplans innerhalb seiner Organe sein.

Veröffentlicht vom OGBL, den 5. Juni 2023