Pressemitteilung der GLCCA

Virtueller Tower am Flughafen Luxemburg: Regierung plant ohne Absprache mit Fluglotsen

Die luxemburgische Regierung plant, am Flughafen Luxemburg einen virtuellen Tower einzurichten, ohne im Vorfeld einen echten Dialog mit den Fluglotsen zu führen, die später mit diesem System arbeiten sollen. Wir, die GLCCA, lehnen diese Idee aus mehreren Gründen entschieden ab und möchten deutlich machen, was die einschlägigen EU-Richtlinien tatsächlich fordern.

Die von der Europäischen Union angestrebte Digitalisierung des Luftraums wird in der öffentlichen Darstellung von Regierungsseite regelmäßig mit der Einführung eines virtuellen Towers gleichgesetzt. Diese Vermischung beruht entweder auf einem grundlegenden Missverständnis oder erfolgt bewusst. Fakt ist: Digitalisierung, wie sie von der EU gefordert wird, und der Betrieb eines virtuellen Towers sind zwei völlig unterschiedliche Dinge.

Die Verordnung (EU) 2024/2803 regelt die Umsetzung der Modernisierung des Einheitlichen Europäischen Luftraums. Im Rahmen dieser Strategie verfolgt der „Digital European Sky“ das Ziel, den Luftverkehr in Europa effizienter, nachhaltiger und sicherer zu gestalten, unter anderem durch die Reduktion von Verspätungen, die Optimierung von Flugrouten, die Integration neuer Luftfahrzeuge wie Drohnen sowie durch verbesserte digitale Vernetzung und den
Datenaustausch. Die GLCCA unterstützt diese Ziele ausdrücklich und setzt sich seit Jahren aktiv für deren Umsetzung ein. Bereits vor mehreren Jahren haben wir das Projekt „Digital Strips“ ins Leben gerufen, das einen wesentlichen Beitrag zur digitalen Modernisierung unserer Arbeitsprozesse leistet und zahlreiche Anforderungen in diesem Bereich erfüllt. Dennoch wurde das Projekt bislang nicht realisiert, nicht weil es am Engagement der Fluglotsen mangelt, sondern weil diese neuen Technologien selbstverständlich nicht von den Fluglotsen selbst finanziert oder beschafft werden müssen.

Ein Flughafen kann in vollem Umfang am digitalen Luftraum teilnehmen, ohne einen virtuellen Tower zu betreiben. Entscheidend ist die Anbindung an moderne Systeme und die Nutzung bestehender Datenplattformen wie SWIM (System Wide Information Management), das verschiedene Akteure, darunter Flugsicherung, Wetterdienste und Flughäfen miteinander vernetzt. Ein virtueller Tower ist hierfür nicht erforderlich.

Bis heute plant oder betreibt kein einziger internationaler Hauptflughafen eines Landes einen virtuellen Tower. Der Flughafen Zürich etwa hat sich nach intensiver Prüfung bewusst gegen dessen Einführung entschieden. In Polen wird mit dem Centralny Port Komunikacyjny (CPK) eines der größten Flughafenprojekte Europas umgesetzt, ebenfalls ohne virtuellen Tower. Auch Riga, Dublin, Milan Linate und weitere moderne Flughäfen setzen weiterhin auf konventionelle Kontrolltürme. Diese Beispiele verdeutlichen, dass selbst hochentwickelte und komplexe Standorte ganz bewusst auf den Einsatz virtueller Tower verzichten. Warum also sollte Luxemburg einen riskanteren Weg einschlagen? Der Flughafen Luxemburg ist kein kleiner Regionalflughafen!

Wir lehnen den Einsatz virtueller Tower ab, weil sie unter realen Betriebsbedingungen nicht die gleiche Verlässlichkeit bieten wie konventionelle Türme mit direkter Sichtverbindung. Ein virtueller Tower basiert auf Kamerasystemen und Monitoren. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass diese Systeme bei Nebel, Regen, tiefstehender Sonne oder technischen Störungen nicht die Reaktionsfähigkeit und Betriebssicherheit des menschlichen Auges bei direkter Sicht erreichen.

Die oft wiederholte Behauptung, moderne Kameras könnten mehr „sehen“ als das menschliche Auge, wurde bislang an keinem Flughafen belastbar nachgewiesen. Selbst wenn unter eingeschränkten Sichtverhältnissen noch ein Bild übertragen wird, bleibt die physikalische Realität bestehen: Sobald die Sicht unter die vorgeschriebenen Mindestwerte fällt, dürfen Starts und Landungen nicht mehr durchgeführt werden, unabhängig von den Möglichkeiten der
Kameratechnik. Davon abgesehen werden Positionen und Bewegungen von Luftfahrzeugen am Boden bereits heute durch Bodenradar präzise erfasst, auch bei schlechter Sicht und ganz ohne zusätzliche Kamerasysteme.
Technische Ausfälle bleiben ein reales Risiko, denn Netzunterbrechungen oder Kameradefekte können den gesamten Betrieb beeinträchtigen. Ein klassischer physischer Tower bleibt in solchen Fällen weiterhin einsatzbereit. Zudem steigt bei einem rein virtuellen System das Risiko gezielter Cyberangriffe oder Sabotage, ein besonders kritischer Aspekt angesichts der strategischen Bedeutung des Flughafens Luxemburg als NATO-Standort.

Es spricht auch nichts dagegen, all jene technischen Hilfsmittel, die in einem virtuellen Tower erforderlich sind, wie hochauflösende Kameras, Zoom- oder Nachtsichtfunktionen, in einem physischen Tower einzusetzen. Der entscheidende Vorteil ist, dass dort zusätzlich der direkte 360- Grad-Blick durch die Fenster erhalten bleibt, unabhängig von Technik und Systemverfügbarkeit.

Wir fordern ein verantwortungsvolles und tragfähiges Konzept für die Zukunft des Flughafens Luxemburg eines, das sämtliche Sicherheitsaspekte berücksichtigt. Die Fluglotsen verfügen durch ihre Ausbildung, ihre tägliche Praxis und ihr Fachwissen über die nötige Kompetenz, um die Risiken und Anforderungen realistischer Betriebsführung zu bewerten. Es ist dringend geboten, ihre Stimme ernst zu nehmen.

Die luxemburgische Regierung plant Investitionen von über einer Milliarde Euro in die Infrastruktur des Flughafens. Der Bau eines neuen physischen Towers wäre im Vergleich dazu ein überschaubarer Aufwand einer, der langfristig Sicherheit, Stabilität und Zuverlässigkeit garantiert.

Wir stellen uns nicht gegen Fortschritt, im Gegenteil, wir unterstützen moderne Lösungen, wo immer sie sinnvoll und sicher sind. Was wir ablehnen, ist ein überhastetes Experiment auf Kosten der Betriebssicherheit.