Sparprogramm

Der OGBL untersucht die beschlossenen Maßnahmen

Bei einer Sitzung des Geschäftsführenden Vorstands hat sich der OGBL eingehend mit
den von der Regierung beschlossenen Sparmaßnahmen, die Premierminister Juncker
am 5. Mai im Rahmen seiner Rede zur Lage der Nation der Abgeordnetenkammer
vortrug, auseinandergesetzt.
Beschäftigungspolitik
Was die Beschäftigungspolitik betrifft, so stellt der OGBL fest, dass sich die Situation
der Arbeitslosengeldempfänger und diejenige der Arbeitsuchenden nicht
verschlechtern wird. Dies geschieht gegen die Forderungen der Arbeitgeberverbände,
die sich für die nach neoliberalen Rezepten ausgerichtete unsoziale Politik der OECD in
diesem Bereich stark gemacht hatten.
Der OGBL begrüßt die Bereitschaft der Regierung zur Verbesserung der schwierigen
Situation der Langzeitarbeitslosen und die Verlängerung der Regelungen zur
Kurzarbeit. Letzteres trägt nicht nur dazu bei, Beschäftigung zu sichern, sondern hilft
auch den Unternehmen.
Der OGBL unterstreicht seine Forderung, dass Unternehmen, die von der Kurzarbeit
profitiert haben und nun wieder Gewinne einfahren, ihren Angestellten die erlittenen
Lohneinbußen zurückzahlen sollen, anstatt die Gewinne nur an die Aktionäre und
Führungskräfte zu verteilen.
Der OGBL erinnert auch daran, dass die Vorschläge des Arbeitsministers viele
interessante Elemente enthalten, die sich mit den Positionen des OGBL decken und
umgesetzt werden sollten.
Der OGBL stellt jedoch fest, dass viele seiner konkreten Vorschläge, die sowohl dem
Tripartite- Koordinierungsausschuss als auch dem Ständigen Ausschuss für Arbeit und
Beschäftigung unterbreitet worden sind, keine Berücksichtigung gefunden haben. Eine
seriöse Auseinandersetzung mit diesen Vorschlägen ist an der Fundamentalopposition
des Arbeitgeberdachverbands UEL gescheitert.
Unternehmen: sektoraler Ansatz befürwortet
In Bezug auf die Situation der Unternehmen erinnert der OGBL an die detaillierten
Studien, die von der Salariatskammer durchgeführt worden sind. Die Studien
unterscheiden nach Wirtschaftsbereichen und sind nicht nur auf die Lohnkosten,
sondern auch auf die Rentabilität der Unternehmen ausgerichtet. Diese Studien
wurden im Rahmen der Tripartite nicht diskutiert.
Der OGBL hatte bereits Anfang 2009 darauf hingewiesen, dass sich die Situation der
Luxemburger Wirtschaft sehr differenziert darstellt. Die wirtschaftliche Lage der
Industrie variiert je nach Art der Produktion und ist nicht vergleichbar mit dem
Finanzsektor, dem Handel, dem Handwerk, dem Dienstleistungssektor, den
personennahen Dienstleistungen, dem Energiesektor, der Druck-, Medien- und
Luftfahrtbranche, sowie dem Straßenverkehr …
Deshalb hat der OGBL seit Anfang 2009 und während den Tripartiteverhandlungen
einen sektoralen Ansatz befürwortet, nicht nur zur Korrektur eventueller Probleme,
sondern auch um die Wachstumsbranchen der Zukunft zu stärken und sich so auf die
absehbaren wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen, die angesichts der
Ausrichtung der Wirtschafts- und Umweltpolitik der Regierung und der Europäischen
Union zwingend sind, einzustellen.
Dieser Ansatz wurde nicht verfolgt, und wir erleben gegenwärtig die Folgen in Form
des Zusammenbruchs eines Teils des Straßengüterverkehrs, nicht etwa wegen der zu
hohen Löhne sondern wegen der Kurzsichtigkeit von Politikern und Arbeitgebern
bezüglich der Auswirkungen der veränderten europäischen Richtlinie in diesem
Bereich.
Diese Entwicklung ist in der Tat ein Dämpfer für die Bemühungen des
Wirtschaftsministers, Luxemburg als Logistikstandort weiterzuentwickeln.
Kreuzzug gegen den Index, anstatt den Schwerpunkt auf die wirtschaftliche
Zukunft zu legen
Statt unsere Energie, unser Know-how und unsere Kompetenzen auf die Lösung der
konkreten Probleme und die Entwicklung von zukunftsträchtigen Projekten zu
konzentrieren, investieren die Verantwortlichen der UEL, d.h. die Vertreter der
Niederlassungen von großen multinationalen Unternehmen des Industrie- und
Finanzsektors, die Führungskräfte der Arbeitgeberverbände und deren
Berufsverbände, unterstützt durch einen erheblichen Teil der politischen Elite viel Zeit
und viel Geld in einen Kreuzzug gegen die Indexierung der Löhne und Renten sowie in
eine Sensibilisierungskampagne, um Glauben zu machen, dass die Zukunft des Landes
durch die Höhe und die Entwicklung der Löhne belastet sei. Sie wollen wissentlich
darüber hinwegtäuschen, dass die Löhne in Luxemburg, wie in allen anderen Ländern
weniger schnell wachsen als die Kapitaleinkommen.
Der Angriff auf die Indexierung der Löhne, der von einem Teil der Luxemburger Politik
geführt wird, zielt nur darauf ab, diesen Trend zu stärken und den Druck auf die
Löhne sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Sektor zu erhöhen, und
dies insbesondere zu Lasten der jungen Generation. Der OGBL ist erfreut, dass dieser
Angriff in einer ersten Phase abgewehrt werden konnte, stellt aber angesichts der
Debatten im Parlament fest, dass aufgeschoben nicht aufgehoben bedeutet.
Der OGBL bedauert diesen Ansatz der unweigerlich zu einer Verschlechterung des
sozialen Klimas und zu einer Verschärfung der sozialen Konflikte führen wird, die zu
Lasten einer Politik gehen, welche darauf abzielt, eine zukunftsgerichtete
Wirtschaftspolitik im Einklang mit den Leitlinien und Zielen unseres Plans für
nachhaltige Entwicklung zu entwickeln, und auf diesem Wege gute und sichere
Arbeitsplätze zu schaffen.
Der OGBL begrüßt die Tatsache, dass die Regierung dem Antrag der Arbeitgeber nicht
nachgegeben hat, die Anpassung der Mindestlöhne an die Lohnentwicklung der Jahre
2008 und 2009 aufzuschieben. So wird der Mindestlohn um 1,9 % zum 1. Januar
2011 erhöht.
Normalerweise sollten auch die Renten zum 1. Januar 2011 um 1,9 % erhöht werden.
Dies wird nicht der Fall sein. Während die Regierung ihre Pläne aufgegeben hat, die
Rentenanpassung überhaupt nicht zu zahlen, wird nun die Auszahlung der
Rentenanpassung auf zwei Jahre gestreckt. Der OGBL verurteilt diese ungerechte
Maßnahme, die vor allem Rentner mit geringem Einkommen trifft.
Öffentliche Finanzen
Im Bereich der öffentlichen Finanzen hat der OGBL mit Unterstützung der
Salariatskammer einen Alternativvorschlag zu den Plänen der Regierung das
öffentliche Defizit schrittweise zu reduzieren und die Zunahme der öffentlichen
Schulden einzudämmen (Stabilitätsprogramm), vorgelegt, und dies bereits vor Beginn
der Tripartiteverhandlungen.
Wir stellen fest, dass dieser Alternativvorschlag nicht berücksichtigt wurde und dass
im übrigen die Abgeordnetenkammer nicht die Gelegenheit zu einer kontroversen
Diskussion des Regierungsplans hatte, bevor dieser nach Brüssel geschickt wurde, ein
Plan also, der am Ursprung des Sparprogramms steht, welches dem Tripartite
Koordinierungsausschuss am 10. April vorgelegt worden ist.
Der entschlossene Widerstand der Gewerkschaften hat dazu geführt, dass die
sozialistische Partei in der Regierung Abstand von der ursprünglichen Fassung der
Sparmaßnahmen genommen und sich gegen Veränderungen am Indexsystem der
Löhne und Renten ausgesprochen hat.
Der OGBL ist zufrieden mit der Aufrechterhaltung der vollen Indexierung der Löhne
und Renten sowie mit der Tatsache, dass eine Reihe von besonders unsozialen
Maßnahmen aufgegeben wurde und dass andere in eine sozial erträglichere Richtung
geändert wurden.
Trotz der Anpassungen bleiben die Maßnahmen in den Bereichen Familienpolitik und
Wohnungspolitik wesentlich gekennzeichnet durch den Willen, die öffentlichen
Ausgaben in diesen Bereichen zu begrenzen und zurückzuführen. Eine neue
Ausrichtung dieser Politik auf Ziele wie etwa eine bessere Vereinbarkeit von Familie
und Beruf, einen besseren Zugang zu Bildung und die Erhöhung der Zahl von
Studenten, sowie die Einführung eines Rechts auf Wohnraum, ist nicht in Sicht.
Dies gilt ebenfalls für die Kürzung der Wegpauschale, die vor allem diejenigen
Arbeitnehmer trifft, die lange Anfahrtswege haben. Das Ziel ist nicht die Mobilität zu
verbessern, sondern 50 Millionen Euro in die Kassen des Staates zu spülen. Der OGBL
ist der Meinung, dass diese von der Regierung befürwortete Sparmaßnahme
zumindest so angepasst werden sollte, dass die Folgen insbesondere für diejenigen
Arbeitnehmer, die lange Anfahrtswege auf sich nehmen, abgemildert werden.
Lasten ungerecht verteilt
Im Allgemeinen stellt der OGBL fest, dass die Belastung, die auf die Steuerzahler
zukommt, ungerecht verteilt bleibt.
So fällt die Erhöhung der Solidaritätssteuer auf das zu versteuernde Einkommen von
Einzelpersonen höher aus als auf die Unternehmensgewinne.
Der OGBL beharrt auf seiner Forderung, dass der Finanzsektor auch einen Beitrag zur
Krisenbewältigung leisten muss und nicht nur die Arbeitnehmer und Pensionierten.
Der OGBL hatte ferner die Einführung eines speziellen Steuersatzes oder eines
spezifischen Krisenbeitrags für die Steuerpflichtigen mit einem zu versteuernden
Einkommen von über € 250.000 pro Jahr sowie die Einführung einer Solidaritätssteuer
auf Vermögen angeregt. Wenn solche Maßnahmen getroffen würden, wäre es möglich,
die Krisensteuer (0,8%) zu verringern, oder sie erst gar nicht einzuführen.
Der OGBL stellt ferner fest, dass der Premierminister keine Maßnahmen zur
Bekämpfung von Steuerbetrug angekündigt hat. Gleichermaßen wäre eine kritische
Analyse des Steuersystems von Nöten, um mögliche Steuerschlupflöcher, die es
wohlhabenden Steuerzahlern erlauben ihre Steuerlast übermäßig zu reduzieren,
aufzuspüren. Dies müsste natürlich auch bei den Betrieben unternommen werden.
Wenn die Zahlen stimmen, die über Unternehmen, die keine Steuern zahlen, im
Umlauf sind, ist das völlig inakzeptabel.
Was die Investitionspolitik und die Ausgaben des Staates anbelangt, so sind einige
Ressorts wie der Verteidigungshaushalt und die Außenpolitik, um nur diese zu nennen,
komischerweise nicht in den Aussagen des Premierministers enthalten.
Eine klare parlamentarische Debatte über den gesamten mehrjährigen
Investitionsplan sowie über den präzisen Beitrag (konkrete, finanziell detaillierte
Maßnahmen) aller Ministerien zur Reduzierung der Funktionskosten des Staates, ist
notwendig.
Diese Debatte sollte auch über die Auswahlkriterien geführt werden, die als Basis für
die vorgesehenen Kürzungen dienen.
Auch im Rahmen des Stabilitätsprogramms 2011-2014, das von der Regierung
verabschiedet wurde und welches der OGBL als übertrieben und potentiell schädlich
für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung erachtet, wäre es möglich, einen
Lastenausgleich des Sparmaßnahmenpakets zugunsten der Steuerzahler mit
niedrigem und mittlerem Einkommen herbeizuführen.

Mitgeteilt vom Geschäftsführenden Vorstand des OGBL
am 10. Mai 2010