System am Limit

Podiumsdiskussion zum Personalmangel im Gesundheits- und Sozialwesen

Der Plenarsaal der Chambre des salariés war am Abend des 4. Juni bis auf den letzten Platz gefüllt, denn das Syndikat Gesundheit und Sozialwesen hatte zur Podiumsdiskussion über den zunehmenden Fachkräftemangel im Sektor eingeladen – ein Thema, das viele Beschäftigte unmittelbar betrifft und längst nicht mehr ignoriert werden kann.

Auf dem Podium diskutierten Catherine Molitor, Präsidentin des Syndikats und Personaldelegierte im Centre Hospitalier Emile Mayrisch, Mars Di Bartolomeo, Abgeordneter und ehemaliger Gesundheitsminister, sowie Gilles Gerges, Personaldelegierter bei Solina. Die Diskussion war lebhaft, konkret und geprägt von einer deutlichen Botschaft: Die Situation ist ernst, und sie wird sich nicht von selbst verbessern.

Catherine Molitor schilderte eindrücklich, wie sich der Alltag im Krankenhaus verändert hat. Der Personalmangel sei längst kein vorübergehendes Problem mehr, sondern ein struktureller Notstand. Neue Kolleginnen und Kollegen blieben oft nicht lange, junge Beschäftigte seien schnell überfordert, und langjährige Mitarbeitende arbeiteten dauerhaft an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Die Folge seien Frust, Erschöpfung und das Gefühl, weder den eigenen Ansprüchen noch den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten gerecht zu werden.

Mars Di Bartolomeo machte deutlich, dass die Probleme nicht neu sind und es keinerlei Entschuldigung dafür gibt, dass bislang so wenig unternommen wurde. Er kritisierte, dass politische Maßnahmen zu oft im Klein-Klein stecken bleiben, anstatt mutige Reformen anzupacken. Die Attraktivität der Gesundheits- und Sozialberufe müsse endlich politische Priorität bekommen, wenn man den Sektor vor dem Zusammenbruch bewahren wolle.  Gilles Gerges lenkte den Blick auf den Sozialbereich, wo sich ein ähnliches Bild zeigt. Die Anforderungen an die Betreuung würden steigen, während gleichzeitig die personellen und strukturellen Ressourcen nicht mithalten. Die Beschäftigten seien gezwungen, ständig zu improvisieren, unter enormem Druck zu arbeiten und gleichzeitig einfühlsam zu bleiben – eine Kombination, die auf Dauer niemand leisten könne.

Im Austausch mit dem Publikum wurde deutlich, dass die Beschäftigten nicht nur unter den Bedingungen leiden, sondern sich auch nicht gehört fühlen. Es gebe viele Ideen, wie sich die Situation verbessern ließe, doch es fehle an politischem Willen und klaren Entscheidungen. Die Teilnehmenden betonten, dass der Sektor nicht mehr reformiert, sondern grundlegend neu gedacht werden müsse – im Sinne der Beschäftigten wie auch der Menschen, die auf gute Pflege und soziale Unterstützung angewiesen sind.

Der Abend endete in geselligem Rahmen bei Getränken und Häppchen, doch die Gespräche gingen weiter. Für viele war diese Veranstaltung nicht nur ein Raum für Austausch, sondern auch ein Signal des Zusammenhalts. In ihrer Schlussbemerkung unterstrichen die Veranstalter, dass dies erst der Anfang sei. Die Krise im Sektor ist real, und sie braucht eine klare Antwort – auf politischer wie gesellschaftlicher Ebene. In diesem Sinne wurde auch zur großen nationalen Demonstration vom 28. Juni aufgerufen, bei der die Beschäftigten im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich geschlossen auf die Straße gingen, um eine klare Botschaft zu vermitteln: So kann es nicht weitergehen.

Dieser Artikel wurde im Aktuell veröffentlicht (3/2025)