Gehälter im luxemburgischen Bankensektor

Schmeichelhafte Durchschnittswerte, eine leider kontrastreichere Realität

Bei der Lektüre der Studie 2025 des Beratungsunternehmens Morgan Philips erscheint der luxemburgische Bankensektor als ein Eldorado für Gehälter, in dem selbst Berufseinsteiger mit sechsstelligen Gehältern rechnen können und Führungspositionen Spitzengehälter erzielen. Hinter dieser glänzenden Fassade verbirgt sich jedoch eine weit weniger glanzvolle Realität. Diese Zahlen halten einer Überprüfung anhand der offiziellen Daten des Statec kaum stand, die eine ganz andere Realität offenbaren: weniger glanzvoll, kontrastreicher und vor allem … deutlich schlechter bezahlt.

Sagenhafte Gehälter … für eine Elite

Die Unternehmensberatung Morgan Philips hat kürzlich ihre Studie 2025 über die Gehälter im Bankensektor in Luxemburg veröffentlicht. Ihren Daten zufolge sind die Gehälter dort besonders hoch, insbesondere für Führungspositionen. Eine sorgfältige Lektüre der Zahlen und ein Vergleich mit den offiziellen Daten des Statec lassen diese Aussagen jedoch relativieren. Zwischen 220.000 und 400.000 Euro brutto pro Jahr, ohne Prämien und Zusatzleistungen – genug, um jeden hohen europäischen Beamten vor Neid erblassen zu lassen. Schlimmer noch: Die „Führungspositionen” würden bei 130.000 Euro beginnen, während junge Nachwuchskräfte fröhlich bis zu 80.000 Euro pro Jahr verdienen würden.

Der Bericht stützt sich auf eine fragwürdige Methodik: Die Zahlen stammen aus spezifischen Rekrutierungsaufträgen und Bewerbungsanalysen, die sich auf bereits sorgfältig ausgewählte Profile konzentrieren. Die angegebenen „Durchschnittswerte” sind in Wirklichkeit Höchstwerte, die nur für eine Mikro-Elite gelten, hauptsächlich im „Front-Office” und in Führungspositionen. Die große Mehrheit der Arbeitnehmer erreicht diese Beträge nicht annähernd.

Aber sollte man diese Zahlen wirklich ernst nehmen? Tatsächlich basiert die Studie weder auf einer repräsentativen Stichprobe noch auf einer transparenten Methodik. Sie aggregiert Daten aus punktuellen Rekrutierungsaufträgen, die oft auf bereits sorgfältig ausgewählte Profile ausgerichtet sind. Mit anderen Worten: Die Zahlen einer Mikro-Elite werden auf einen ganzen Sektor hochgerechnet. Ein geschickter rhetorischer Trick… aber zweifelhaft.

Der Reality-Check vom Statec

Angesichts dieser schmeichelhaften Rhetorik wirkt der letzte Bericht des Statec (Juli 2024) wie eine kalte Dusche. Im Jahr 2022 betrug das durchschnittliche Bruttojahresgehalt im Finanz- und Versicherungswesen 113.018 Euro und lag damit weit unter den 200.000 Euro, die als „Standard” für „Führungspositionen” angegeben wurden.

Der Kontrast ist noch deutlicher, wenn man die Daten aller Branchen zusammen betrachtet: Das Median-Gehalt liegt bei maximal 58.126 Euro, was bedeutet, dass die Hälfte der luxemburgischen Arbeitnehmer weniger verdient. Selbst im Finanzsektor sind diese astronomischen Gehälter die Ausnahme und nicht die Regel.

Um dies noch zu unterstreichen, sei daran erinnert, dass nur 1 % der Arbeitnehmer mehr als 284.715 Euro brutto pro Jahr verdienen. Eine winzige Handvoll, die bei weitem nicht die Norm darstellt, aber dennoch als Lohnkompass in der Analyse des Unternehmens zu dienen scheint. Verdecktes Marketing in Form einer Studie oder Augenwischerei unter dem Deckmantel von Fachwissen?
Das von Morgan Philips gezeichnete Bild betrifft also vor allem einige „happy few” und nicht den durchschnittlichen luxemburgischen Arbeitnehmer.

Die wichtige Rolle von Kollektivverträgen und Gewerkschaften

Ohne den im Bankensektor geltenden Kollektivvertrag (KV) wäre der Medianlohn noch niedriger. Es sind die bescheidenen Lohnerhöhungen, die durch den Kampf der Gewerkschaften erreicht wurden – in der Regel zwischen 0,5% und 1% pro Jahr, manchmal begleitet von Prämien –, die die Mehrheit der Bankangestellten vor Lohnstagnation schützen. Die Gewerkschaften kämpfen jedes Jahr dafür, dass alle zumindest eine Gehaltserhöhung erhalten. Dennoch zögern die Arbeitgeber im Bankensektor, den kollektivvertragsgebundenen Arbeitnehmern nennenswerte Lohnerhöhungen zu gewähren, und ziehen es vor, die großen Summen einer Minderheit von Führungskräften oder Spezialisten vorzubehalten. Dieser Gegensatz ist für die Personalvertreter unlogisch und sogar ungerechtfertigt, zumal die Rentabilität des Sektors nach wie vor hoch ist.

Die Gewerkschaften prangern diese Diskrepanz an und erinnern daran, dass ohne ihr Engagement die Lohnsituation in diesem Sektor noch viel düsterer wäre: Es ist inkonsequent, dass die Arbeitgeber jede kollektive Lohnerhöhung ablehnen, während einigen hochspezialisierten Profilen „außergewöhnliche” Gehälter gewährt werden. Der Kollektivvertrag mit seinen ausgehandelten Erhöhungen ermöglicht es, eine relative Gerechtigkeit aufrechtzuerhalten und verhindert eine Verschärfung der Lohnpolarisierung.

Eine voreingenommene Studie, gefährliche Schlussfolgerungen

Morgan Philips präsentiert seine Zahlen als „Durchschnittswerte”. In Wirklichkeit handelt es sich um Nischen-Höchstwerte, die aus geschlossenen Märkten stammen: Geschäftsleitungen, hochspezialisierte Compliance-Profile, seltene Funktionen. Das hat nichts mit den Tausenden von „Backoffice“-Arbeitnehmern, Verwaltungsangestellten oder Junior-Analysten zu tun, deren Gehalt weit unter diesen angeblich repräsentativen Höchstwerten liegt.

Die Gehälter einiger weniger Glücklicher mit denen durchschnittlicher Arbeitnehmer zu verwechseln, vermittelt ein verzerrtes – ja sogar irreführendes – Bild vom Finanzplatz Luxemburg. Bei einer solchen Diskrepanz wird die Fehlwahrnehmung zu einem Analysefehler.

Fazit: Zwischen goldener Illusion und statistischer Wahrheit

Ja, der luxemburgische Bankensektor bietet nach wie vor zahlreiche attraktive Karrieremöglichkeiten – insbesondere für hochqualifizierte Fachkräfte. Aber man muss aufhören, eine hochbezahlte Elite als repräsentativ für den Rest der Branche darzustellen.

Zwischen den schwärmerischen Ausführungen von Morgan Philips, den Untersuchungen der ABBL und der nüchternen Strenge des Statec gibt es keinen Zweifel: Eine weniger schmeichelhafte Wahrheit ist besser als eine goldene Illusion. In einer öffentlichen Debatte, die mit beschönigenden Zahlen überladen ist, verschaffen nur strenge Statistiken Klarheit. Und genau diese Strenge fehlt einer Studie, die unter dem Deckmantel der Fachkompetenz letztlich eine mit Illusionen gespickte Erzählung verkauft.

Die Realität sieht so aus: Der luxemburgische Bankensektor ist nach wie vor attraktiv, aber das Bild, das bestimmte Studien vermitteln, hat mehr mit Marketing als mit Statistik zu tun. Angesichts der Genauigkeit der Statec-Daten, der ABBL-Umfragen und der wichtigen Rolle der Gewerkschaften bei der Entwicklung der Kollektivverträge ist es wichtig, jede Kommunikation über Gehälter zu nuancieren und daran zu erinnern, dass nur die spezialisiertesten und erfahrensten Profile Rekordgehälter erzielen. Die Mehrheit der Bankangestellten lebt in einer viel moderateren Realität, die in der öffentlichen Debatte besser widergespiegelt werden sollte.

Dieser Artikel wurde im Aktuell veröffentlicht (4/2025)