Gewerkschaftsfront demonstriert Stärke in den Straßen von Luxemburg

Es war keine Welle, sondern ein regelrechter Tsunami in den Farben der Gewerkschaftsfront, der am 28. Juni 2025 durch die Straßen von Luxemburg rollte. Mehr als 25.000 Menschen (!!!) folgten nämlich dem Aufruf des OGBL und des LCGB, gegen die aktuelle Regierungspolitik zu demonstrieren, angesichts der patronatshörigen Angriffe der Regierung, die sich in den letzten Monaten häuften: Ankündigung weiterer Verschlechterungen unseres öffentlichen und solidarischen Rentensystems; frontale Infragestellung der Grundlagen, auf denen die Kollektivvertragsverhandlungen in Luxemburg beruhen, und somit der Löhne und Arbeitsbedingungen im Allgemeinen; Entwurf zur Ausweitung der maximal zulässigen Arbeitszeit an Sonntagen; Ankündigung einer fast vollständigen Liberalisierung der Öffnungszeiten im Handel; Gefahr einer allgemeinen Flexibilisierung der Arbeitszeit; systematische Versuche, die Gewerkschaften zu umgehen, Infragestellung des Demonstrationsrechts. 

Seit dem Amtsantritt der CSV-DP-Regierung im Herbst 2023 weht ein eisiger Wind in Luxemburg. Und wenn die Veröffentlichung des Programms der neuen Regierungskoalition bereits auf kommende schwierige Zeiten hindeutete, so haben die letzten 10 Monate deutlich gezeigt, dass die aktuelle Regierung beschlossen hat, endgültig mit dem berühmten Luxemburger Sozialmodell zu brechen, sowohl in der Form (fehlender Sozialdialog) als auch in der Sache (Maßnahmen zu Lasten der Arbeitnehmer, Rentner und ihrer Familien). Die Antwort der Gewerkschaftsfront OGBL-LCGB an diesem 28. Juni musste der neoliberalen Offensive, die von der Regierung gestartet wurde, gerecht werden. Und das war sie zweifellos! Die nationale Demonstration gegen die aktuelle Politik der Regierung wurde zu einer wahren Machtdemonstration der Gewerkschaften.

Vom Bahnhof in Luxemburg-Stadt aus zog der beeindruckende Demonstrationszug – fröhlich, festlich und kämpferisch zugleich – zunächst die lange Avenue de la Liberté hinauf, überquerte die Adolphe-Brücke und zog dann durch die Innenstadt bis zur Place Guillaume II („Knuedler“), wo OGBL-Präsidentin Nora Back, LCGB-Präsident Patrick Dury sowie die stellvertretende Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) Isabelle Schömann eine Ansprache an die Menge richteten.

“Mehr als 25 000 Menschen sind heute auf der Straße! Mehr als 25.000 Menschen, die beschlossen haben, heute Morgen aufzustehen, um dem Premierminister und seiner Regierung zu sagen: Es reicht! Wir werden uns das nicht gefallen lassen! Wir sind Tausende und Abertausende von Menschen, die heute beschlossen haben, nicht in den Wald spazieren zu gehen, die nicht auf dem Holzweg sind, sondern die im Gegenteil in der Realität stehen”, rief die OGBL-Präsidentin unter anderem aus und spielte damit direkt auf die Äußerungen von Premierminister Luc Frieden an, der einige Wochen zuvor beiläufig erklärt hatte, er werde am Tag der Demonstration im Wald spazieren gehen.

“Die Regierung wäre besser beraten gewesen, uns hier zuzuhören, uns, die wir über 25.000 sind, die gekommen sind, um das zu verteidigen, was Generationen und Generationen vor uns durch Kampf errungen haben! Wir sind hier zu Tausenden, um unsere Geschichte, unsere Errungenschaften, aber auch unsere Zukunft und die unserer Kinder zu verteidigen. Und wir sind bereit, zu kämpfen, unsere Stimme zu erheben und uns zu erheben. Wir sind entschlossen, nicht zuzulassen, dass eine neoliberale, herzlose Regierung all das zerstört, was dieses Land über Jahrzehnte groß, stark und widerstandsfähig gemacht hat!”, so Nora Back.

Renten: Regierungspläne betreffen alle außer den Arbeitgebern

Zu den Hauptgründen für die Wut gehörte natürlich die Absicht der Regierung, das öffentliche und solidarische Rentensystem zu verschlechtern. In seiner Rede zur Lage der Nation am 13. Mai bestätigte der Premierminister alle Bedenken, die die Gewerkschaftsfront OGBL-LCGB in den vergangenen Monaten geäußert hatte. Gegen die Interessen der derzeitigen und zukünftigen Rentner hat die Regierung ihre Absicht bekräftigt, das Rentensystem zu verschlechtern. So kündigte die Regierung unter anderem eine Erhöhung der Anzahl der Beitragsjahre an, was konkret bedeutet, dass jeder derzeitige und zukünftige Arbeitnehmer in Zukunft länger arbeiten müsste. Eine Maßnahme, die vor allem junge Menschen treffen würde und somit die Solidarität zwischen den Generationen in Frage stellen würde.

„Eine Regierung, die der Meinung ist, dass die Menschen in diesem Land nicht lange genug arbeiten, dass 40 Jahre harte Arbeit auf dem Bau, in der Fabrik, an der Kasse, am Schalter, im Krankenhaus, in der Kindertagesstätte oder im Büro nicht ausreichen; eine Regierung, die die Jugendlichen dazu verurteilen will, fünf weitere Jahre ihres Lebens einem Arbeitgeber anzubieten, hat entweder nichts verstanden oder verfolgt bewusst die Agenda derer, die das Land gerne um 150 Jahre zurückwerfen würden!“, prangerte die OGBL-Präsidentin an.

Neben der Verlängerung der Beitragsjahre will die Regierung auch die Verschlechterungen beibehalten, die bereits mit der letzten Rentenreform 2012 eingeführt wurden, wodurch die unmittelbare Gefahr besteht, dass die Renten der heutigen Rentner noch weiter sinken, da sich die Armutsgefährdungsquote im Alter in den letzten zehn Jahren bereits verdoppelt hat. Die Regierung plant stattdessen, private Rentenversicherungen zu fördern, indem sie sie für wohlhabende Personen steuerlich attraktiver macht, was zu Lasten der öffentlichen Finanzen und des allgemeinen Rentensystems geht.

Auch wenn bestimmte Bevölkerungsgruppen (insbesondere Jugendliche, Frauen und Arbeiter) natürlich noch stärker von den Plänen der Regierung betroffen wären, betreffen die Ankündigungen der Regierung in Wirklichkeit alle: die derzeitigen und künftigen Arbeitnehmer, Beamte, Staatsangestellte, die derzeitigen Rentner… alle außer den Arbeitgebern, deren Agenda die Regierung seit ihrem Amtsantritt gewissenhaft zu verfolgen scheint. „Eine Regierung, die die Unternehmen vor einer Beitragserhöhung von gerade einmal 0,5% zugunsten der Arbeitnehmer schützen will – trotz ihres niedrigen Steuer- und Sozialversicherungsniveaus –, aber keine Skrupel hat, den Arbeitnehmern fünf Lebensjahre zu stehlen, ist der Feind all derer, die arbeiten müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen!“, legt Nora Back nach.

Kollektivverträge, Öffnungszeiten im Handel, gesetzlicher Mindestlohn…

Ein weiterer Grund für die Wut, mit der die Angriffe der Regierung im Herbst 2024 begannen, ist der Versuch, den Inhalt von Kollektivverträgen einzuschränken und das Recht auf Verhandlung und Unterzeichnung eines Kollektivvertrags in Luxemburg zur Disposition zu stellen, indem sie systematisch auf den Ausschluss von Gewerkschaften abzielt. Langfristig würden sie zu einer allgemeinen Absenkung der Löhne und Arbeitsbedingungen im Land führen, aber auch zu einer Schwächung der Gewerkschaften, wodurch beispielsweise eine Mobilisierung wie die vom 28. Juni sehr viel unsicherer würde.

“Wir werden nicht zulassen, dass unsere Arbeits- und Lohnbedingungen zerstört werden! In Luxemburg basiert das Lohnsystem auf einem Gleichgewicht zwischen mehreren Säulen, nämlich der Indexierung, dem Mindestlohn und den Kollektivverträgen. Wer an einer dieser Säulen rüttelt, bringt das ganze System aus dem Gleichgewicht – und gefährdet unsere Löhne”, betonte die OGBL-Präsidentin und erinnerte daran, dass der aktuelle Gesetzesrahmen nicht mehr der Realität entspreche und es den Gewerkschaften vor allem ermöglicht werden müsse, leichter Kollektivverträge auf sektoraler Ebene abzuschließen.

“Wir werden auch nicht zulassen, dass unsere Arbeitszeiten zerstört werden! Wir werden nicht zulassen, dass die 50.000 Beschäftigten im Handel – hauptsächlich Frauen und Grenzgänger – einer unsozialen Ultra-Flexibilisierung unterworfen werden, ohne Notwendigkeit, ohne Nachfrage und ohne Gegenleistung, die jede Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben zerstört!”, fuhr Nora Back fort, angesichts einer Menschenmenge, in der sich auch viele Beschäftigte des Handels befanden, die direkt von den von Arbeitsminister Georges Mischo und Wirtschaftsminister Lex Delles vorgelegten Gesetzesentwürfen betroffen sind.

Ein weiterer Grund zur Sorge, der in den letzten Wochen aufgetaucht ist, ist der Versuch, die EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne zu instrumentalisieren. Obwohl Luxemburg die höchste Working-Poor-Quote in der Eurozone aufweist, das Statec nachgewiesen hat, dass der derzeitige luxemburgische Mindestlohn kein menschenwürdiges Leben in Luxemburg ermöglicht, und eine EU-Richtlinie allen Staaten empfiehlt, ihren Mindestlohn auf 60% des nationalen Medianlohns oder 50% des Durchschnittslohns anzuheben (der soziale Mindestlohn ist weit davon entfernt), plant die Regierung, diese Richtlinie auf fragwürdige Weise umzusetzen. So plant sie, bei der Berechnung der Durchschnitts- oder Medianlöhne die Bezüge der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (die höher sind als im Privatsektor), Überstunden und den 13. Monat auszuschließen. Die Regierung scheint also die Richtlinie instrumentalisieren zu wollen, um die anstehende Entwicklung des Mindestlohns zu bremsen. „Der Mindestlohn muss um mindestens 10 % steigen“, betonte die OGBL-Präsidentin ihrerseits.

„Wir akzeptieren nicht, dass unsere demokratischen Rechte eingeschränkt werden, dass die Politik immer kälter und intoleranter gegenüber den Schwachen und Armen wird, dass Kranke vertrieben und Familien auf die Straße gesetzt werden!“, fuhr sie fort. Nicht zu vergessen die anhaltende Diskriminierung von 230.000 Grenzgängern aus Frankreich, Belgien und Deutschland (Steuern, Familienleistungen, Zugang zu Telearbeit) oder die einseitige Entscheidung der Regierung, die Deckelung der Energiepreise aufzuheben, die stellenweise zu Preissteigerungen von über 30 % geführt hat.

Diese Regierung muss ihren Kurs ändern. Sonst bleibt uns nur noch eine einzige Forderung

Zu den unzähligen Vorwürfen der Gewerkschaftsfront gegen die CSV-DP-Regierung gehört auch ihre Methode, die mit dem luxemburgischen Sozialmodell, das auf einem respektvollen Sozialdialog beruht, bricht. “Für diese Regierung bedeutet ein respektvoller Dialog, dass die Gewerkschaften auf Anfrage erscheinen, schnell ihre Lektion aufsagen und dann schnell wieder verschwinden. Denn dies ist nur eine Inszenierung, ein Schauspiel, das der Regierung ein gutes Gewissen verschaffen soll – einer Regierung, die dann mit ihren Komplizen in den Arbeitgeberverbänden nach Belieben entscheiden und ihre unsoziale Politik nach außen hin verkaufen kann. Eine Regierung, die von einem Premierminister angeführt wird, der unser Land als Großunternehmen betrachtet und sich selbst als noch größeren CEO sieht. Ein CEO, der in seiner eigenen Welt lebt, in der Menschen auf Waren mit Etiketten und Preisen reduziert werden”, klagte der LCGB-Präsident an.

“Wir werden nicht zulassen, dass unser luxemburgisches Modell zerstört wird! Dieses Modell hat sich seit über 50 Jahren bewährt. Ein Modell, das auf Lösungen und Kompromissen beruht, die zwischen gleichberechtigten Sozialpartnern im Interesse der Menschen, des Landes – und auch der Unternehmen – gefunden wurden. Ein Modell, das es uns ermöglicht hat, alle Krisen zu überstehen, von der Krise der Stahlindustrie bis hin zur Covid-Krise. Ein Modell, das jahrzehntelang den Reichtum dieses Landes ausgemacht hat und das nicht auf dem Altar großzügiger Geschenke an das Großkapital oder an einige Auserwählte, die Luc Frieden und Konsorten nahestehen, geopfert werden darf”, schloss sich die OGBL-Präsidentin an.

Während die Wohnungskrise und der ökologische und klimatische Notstand derzeit in den Hintergrund gedrängt werden, hat es die luxemburgische Regierung also vorgezogen, die Rechte und Errungenschaften derer anzugreifen, die durch ihre Arbeit das Land voranbringen. Die Gewerkschaftsfront OGBL-LCGB ist entschlossen, dies nicht zuzulassen, und die nationale Demonstration am 28. Juni dient als letzte Warnung, wie auch Nora Back deutlich gemacht hat: “Diese Regierung muss ihren Kurs ändern. Sonst bleibt uns nur noch eine Forderung: Eine Regierung, die nicht mehr die Interessen des Landes und seiner Bürger vertritt, kann nur zurücktreten!”

Dieser Artikel wurde im Aktuell veröffentlicht (3/2025)

Die „Union des syndicats OGBL und LCGB” bestätigt ihre Teilnahme an dem vom Premierminister einberufenen Treffen am 9. Juli, stellt jedoch Bedingungen!

 


Eine Demonstration, unterstützt von vielen Organisationen

Zahlreiche Organisationen, Institutionen und Gewerkschaften hatten dazu aufgerufen, sich anlässlich der von der Gewerkschaftsfront OGBL-LCGB organisierten Demonstration am 28. Juni zu mobilisieren. Ein großes Dankeschön an sie!

Organisationen der Zivilgesellschaft: Conférence Nationale des Élèves du Luxembourg (CNEL) | CID – Fraen an Gender | Centre for Ecological Learning Luxembourg (CELL) | Greenpeace | Voices of Young Feminists | Amnesty International | Amiperas | Rentner & Invalidenverband | Union des femmes luxembourgeoises |Union luxembourgeoise des consommateurs (ULC) | ASTM | ASTI | Richtung 22 | Fairtrade | Cercle des ONG | Lifestyle Lëtzebuerg | Union luxembourgeoise des associations du secteur culturel (ULASC) | Voço | Initative pour un devoir de vigilance | Widdebiergfrënn

Politische Parteien: LSAP | déi Lénk | déi gréng | KPL

Gemeinden: Rumelange | Dudelange | Roeser | Villerupt (F) | Audun-le-Tiche (F) | Aumetz (F)

Luxemburgische Gewerkschaften und Institutionen: ALEBA | NVGL | NGL-Snep | Chambre des salariés Luxembourg (CSL)
Ausländische Gewerkschaften und Institutionen: 🇪🇺 Confédération européenne des syndicats (CES) | Uni Global Union | ETF | EPSU| CESE 🇧🇪  FGTB | CSC 🇫🇷 CGT Grand Est | CFDT Grand Est | FSU-SNUipp 57 | Ligue de l’enseignement France 🇵🇹 CGTP-IN | UGT 🇩🇪 IG Metall | NGG | Arbeiterkammer Bremen | Arbeiterkammer Saarland 🇧🇶 FNV 🇭🇺 INCA-CGIL | CGIL 🇱🇻 Younion | Arbeiterkammer Österreich


Nationale Demo 28.06.2025