Vom Nationalvorstand am 7. Juli 2015 verabschiedete Resolution

Die Luxemburger Ratspräsidentschaft muss dazu genutzt werden, die soziale Dimension der Europäischen Union zu unterstützen und auszubauen

comite_national_juillet_2015Zum Zeitpunkt, an dem Luxemburg für sechs Monate die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union übernimmt, muss daran erinnert werden, dass die europäische Wirtschaft, trotz des leichten aber fragilen Konjunkturaufschwungs, mit im Übrigen unterschiedlichen Ausprägungen in den verschiedenen Ländern, immer noch unterhalb ihrer Leistungsfähigkeit läuft und öffentliche wie private Investitionen fehlen. Die Europäische Union ist in die desaströse Verwaltung der fälschlich als Schuldenkrise bezeichneten Krise verstrickt (die tatsächlich eine Konsequenz der seit 2010-2011 umgesetzten Austeritätspolitik ist, die mit der Weiterführung einer Politik von Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung, d.h. den berühmt-berüchtigten „Strukturreformen“, verknüpft wurde), und hat keine Antwort auf die Umweltkrise parat, die die Zukunft der künftigen Generationen bedroht. Die Europäische Union steckt weiterhin in einer tiefen sozialen Krise mit einer unannehmbar hohen Arbeitslosigkeit, einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, einer stagnierenden, für viele Arbeitnehmer und Rentner sogar rückläufigen, Kaufkraft, sowie einem generellen Anstieg von Ungleichheit und Armutsrisiko fest.

Das Fehlen einer glaubwürdigen politischen Antwort auf diese verschiedenen Krisen hat, vor allem bei den sozial schwächeren Schichten unserer Gesellschaften, eine ablehnende Haltung gegenüber dem europäischen Projekt hervorgerufen. Eine politische Krise, eine Krise, die die Grundlagen der Demokratie in unseren Ländern berührt, zeichnet sich am Horizont ab.

Angesichts dieser Situation ist der OGBL, gemeinsam mit der europäischen Gewerkschaftsbewegung, der Meinung, dass ein Kurswechsel nötig ist.
Die Austeritätspolitik muss aufgegeben werden. Stattdessen muss eine Wirtschafts- und Haushaltspolitik in den Vordergrund gestellt werden, die private und öffentliche Investitionen wieder ankurbelt, insbesondere in die grüne Wirtschaft, in Forschung und Entwicklung, sowie in unsere Infrastrukturen.

Um aus dem wirtschaftlichen Stillstand herauszukommen, um die ansteigende Ungleichheit zu mindern, ist es notwendig die Löhne zu erhöhen, die steuerlichen Ungleichheiten zu verringern, die kollektiven Rechte und die Gewerkschaften zu unterstützen und die Tarif-verhandlungen zu stärken.

Die Beschäftigungspolitik in Europa sollte den Schwerpunkt auf die Schaffung von qualitativ hochwertigen Arbeitsplätzen, die Ablehnung der Prekarität, sowie den Kampf gegen Sozialdumping legen. Es muss wieder an eine Sozialpolitik in Europa angeknüpft werden, die darauf abzielt, Arbeitsbedingungen zu verbessern, damit die Arbeitnehmer gesund bleiben und Invalidität vermieden wird, an eine Politik, die einen besseren und flexibleren Übergang vom Berufsleben in die Rente fördert. Es muss wieder eine Politik geführt werden, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessert, den individuellen und kollektiven Zugang zur Weiterbildung ausbaut, die ein wirkliches Recht auf berufliche Weiterbildung schafft. Dies würde auch ermöglichen, die Beschäftigungsquote zu erhöhen. In Verbindung mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und dem Kampf gegen Arbeitslosigkeit durch eine Politik des Beschäftigungserhalts und des Schutzes vor Entlassungen, würde eine solche Herangehensweise es ermöglichen, unsere Systeme der sozialen Sicherheit, die einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung unserer Gesellschaft leisten, zu stärken.

Eine solche Orientierung der europäischen Politik, die wieder in Richtung des sozialen Fortschritts gehen würde, die eine Harmonisierung nach oben unterstützt und Investitionen in unsere Infrastrukturen fördert, sowie eine Industriepolitik, die sozialverantwortliche und umweltverträgliche industrielle Tätigkeiten im Bereich der Spitzentechnologien und der Innovation fördert und schützt, wäre ein wesentlicher Beitrag dazu, dass die Bürger wieder Vertrauen in das europäische Projekt gewinnen.
In diesem Sinn fordert der OGBL die Luxemburger Regierung dazu auf, während ihrer europäischen Präsidentschaft sämtliche Initiativen zu unterstützten, die in eine solche Richtung gehen. Die Unterstützung des strukturierten europäischen Sozialdialogs, die Unterstützung der branchenspezifischen und -übergreifenden Verhandlungen auf europäischer Ebene, die Einhaltung der ausgehandelten Vereinbarungen, der Erhalt der
nationalen und europäischen Gewerkschaftsvertretungen in allen europäischen Gremien, Programmen und Agenturen, die die Tätigkeitsbereiche der Gewerkschaften betreffen, ist von entscheidender Bedeutung.

Der OGBL erinnert ebenfalls an die Kritiken der europäischen Gewerkschaftsbewegung an dem sogenannten REFIT-Programm und an dem Kommissionsdokument „Bessere Rechtssetzung“, das unter dem falschen Vorwand der Bürokratiebekämpfung riskiert, dazu benutzt zu werden, Verordnungen in den Bereichen Umweltschutz, sowie Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz auszuhebeln und eine Politik der zwei Geschwindigkeiten zu Ungunsten der Arbeitnehmer in den kleinen und mittleren Unternehmen einzuführen.

Der OGBL erinnert schließlich an seine Kritik gegenüber den laufenden Verhandlungen von Freihandels- und Investorenschutzverträgen (CETA, TTIP, TiSA).

Ohne das politische Gewicht der luxemburgischen Ratspräsidentschaft und die ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu überschätzen, ist der Nationalvorstand des OGBL nichtsdestotrotz der Meinung, dass eine Herangehensweise, die sich auf die hier zusammenfassend entwickelten Orientierungen stützen würde, dazu beitragen könnte, die Europäische Union aus der gegenwärtigen Schieflage zu befreien.