Ladenöffnungszeiten

Eine unendliche Geschichte?

Für die aktuelle Situation wird es nur eine dauerhafte Lösung auf Grund einer sektoriellen Regelung geben, und sicherlich nicht mit Hilfe einer zusätzlichen Liberalisierung.

Wieder einmal ist die Diskussion um eine weitere Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten in Luxemburg neu entflammt; dieses Mal auf Grund der Klage eines Bäckers vor dem Verfassungsgericht. Er fühlte sich diskriminiert und gegenüber der sich in der Nähe seines Ladens befindenden Tankstellen benachteiligt, da diese ebenfalls Backwaren verkaufen und aufgrund einer Ausnahmegenehmigung schon eine Stunde früher als der Bäcker geöffnet haben.

In den letzten Jahren gibt es in immer mehr Tankstellen kleine integrierte Supermärkte, die auch spät abends und an Sonn- und Feiertagen öffnen dürfen. Über diesen Weg umgehen die großen Supermarktketten die für sie eigentlich geltenden Ladenöffnungszeiten. Das ist illegal. Denn dem Gesetz nach darf eine Tankstelle eigentlich nur in einem Bereich von 20m2 um die Kasse herum „lebensnotwendige“ Nahrungsmittel und sogenannte Non-Food-Artikel verkaufen. Die Realität sieht jedoch bekanntermaßen ganz anders aus.

Und das ist nur die eine Seite der Problematik.

Denn: die aktuelle Regelung der Ladenöffnungszeiten in Luxemburg ist sowieso schon eine der Liberalsten im Vergleich zu unseren Nachbarländern. Beispiel: Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen: in Luxemburg darf jeder Arbeitgeber im Handel seine Türen an Sonn- und Feiertagen von morgens 6:00 Uhr bis mittags 13:00 Uhr öffnen.

Darüber hinaus sieht das Gesetz bei den Öffnungszeiten aber auch sogenannte Ausnahmegenehmigungen vor. Diese können von Gemeinden oder Berufsverbänden bei dem zuständigen Ministerium beantragt werden. Die Ausnahmegenehmigungen erlauben es dem Arbeitgeber dann länger zu öffnen. Ladenöffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen sind dann bis 18:00 Uhr oder sogar 19:00 Uhr erlaubt.

Das Problem mit diesen Ausnahmegenehmigungen ist jedoch, dass Gewerkschaften und Arbeitnehmer immer erst nach Erteilung der Genehmigung darüber informiert werden, sodass es uns unmöglich gemacht wird, über Gegenleistungen für das Plus an Flexibilität das im Rahmen der Ausnahmegenehmigungen einseitig von den Arbeitnehmern abverlangt wird zu verhandeln, wie zum Beispiel einen höheren Gehaltszuschlag, einen Freizeitausgleich, Freizeitkompensationen oder bessere Arbeitszeitregelungen.

Die Praxis der Ausnahmegenehmigungen führte im Jahr 2017 dazu, dass beispielsweise die Geschäfte in der Hauptstadt theoretisch fast jeden Tag hätten öffnen können, mit Ausnahme vom 25. Dezember und vom 1. Januar. In der Praxis wurde diese Möglichkeit jedoch in dem Zeitraum von Januar bis Oktober nur in wenigen Einzelfällen genutzt, so waren die meisten Geschäfte beispielsweise nur am ersten Sonntag im Monat geöffnet.

Anders war es jedoch in den Monaten November und Dezember, in denen die Arbeitnehmer an jedem Sonntag zur Arbeit antreten mussten, sogar am 24. und am 31. Dezember.

„Es ist heute schon unmöglich Familien- und Berufsleben korrekt miteinander zu vereinbaren.“

Hier stellt sich also die Frage, ob die „totale Liberalisierung“ der Ladenöffnungszeiten, wie sie von der luxemburgischen Handelskammer gefordert wird, überhaupt die tatsäch-
lichen Bedürfnisse der Arbeitgeber wiederspiegelt. Dies scheint vor dem Hintergrund, dass im Jahr 2015 lediglich 20 Geschäfte ihre Türen regelmäßig an Sonntagen geöffnet hatten eher unwahrscheinlich, ganz zu schweigen von der Frage des ökono-
mischen Nutzens, denn der Konsument kann sein Geld auch nur einmal ausgeben. Zu erwarten ist also, dass längere Ladenöffnungszeiten nicht unbedingt eine Erhöhung des Umsatzes zur Folge haben werden, sondern eher zu einer anderen Verteilung des Umsatzes (auf sieben Tage anstatt auf sechs Tage die Woche) führen werden. Zudem lehrt die Erfahrung, dass durch verlängerte Ladenöffnungszeiten keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen werden; schlimmer noch, die Arbeitsbedingungen, Arbeitsbelastung und die eingeforderte Flexibilität verschärfen die ohnehin bereits prekäre Situation der Arbeitnehmer im Handel.

Zu kurz kommt auch die Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Kinderbetreuung oder auch die Teilnahme an sozialen Aktivitäten, die sich meist am Wochenende abspielen.

Viele der im Handel beschäftigten Arbeitnehmer sind alleinerziehend, oft unqualifiziert und Mindestlohnempfänger. Dazu kommt, dass Teilzeitarbeit im Handel sehr verbreitet ist, oft verbunden mit Vertragsklauseln, die eine Flexibilität der Arbeitszeiten verlangen und es so unmöglich machen, zwei Teilzeitstellen zu kombinieren, und dies obwohl das Arbeitsgesetz bei Teilzeitbeschäftigten eigentlich feste Arbeits-
zeiten vorschreibt. Dieses Recht bleibt den meisten Arbeitnehmern im Bereich Handel jedoch verwehrt.

Die Forderung der Luxemburger Handelskammer nach einer totalen Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten (oder anders gesagt: jedes Geschäft darf nach Lust und Laune öffnen) ist daher für den OGBL unannehmbar, zumal damit argumentiert wird, die Arbeitgeber würden „im Einklang mit ihren Beschäftigten“ eine ideale und gerechte Lösung finden. Dieses Argument ist nicht mehr als nur eine leere Worthülse. Jedem Arbeitnehmer ist klar dass eine solche „freiwillige“ Regelung zu einseitig bestimmten und somit den Mitarbeitern gewissermaßen aufgezwungenen Arbeitszeitregelungen führen wird, weil jede Form der Mitbestimmung fehlt.

Daher fordert der OGBL eine bessere Gesetzesgrundlage, die die Arbeitnehmer wirksam vor der Willkür ihrer Chefs beschützt. Die aktuellen Ladenöffnungszeiten sollen beibehalten werden, wobei vor allem die Vergabepraxis der Ausnahmegenehmigungen abgeschafft werden soll, damit sichergestellt werden kann, dass die betroffenen Arbeitnehmer eine Gegenleistung für die weitere Flexibilisierung ihrer ohnehin schon sehr variablen und familienfeindlichen Arbeitszeiten erhalten.

Langfristig lösen lässt sich die gegenwärtige Situation nur auf Basis einer Branchenregelung, auf Basis des Kollektivvertragsgesetzes. Diese Herangehensweise hat den Vorteil, dass alle Arbeitgeber einer Branche (z.B.: Tankstellen, handwerkliche Kleinbetriebe, Supermärkte) auf der einen Seite ihre tatsächlichen Bedürfnisse formulieren können und die Arbeitnehmer im Gegenzug das Recht auf Mitbestimmung ihrer Arbeitszeiten und Entlohnungsbedingungen bekommen. Zudem beinhaltet diese Herangehensweise eine Verhandlungsmöglichkeit für alle im Handel beschäftigten Personen, und würde so auch die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten im Sektor, die gegenwärtig nicht unter den Schutz eines Kollektivvertrages fallen, verbessern.