Die Zwangsjacke für die kommende Tripartite. Keine gute Idee.

Old psychiatric straitjacketDas Ohne-den-OGBL-Tripartiteabkommen hat jetzt zu einem ersten Gesetz der Indexmanipulation geführt.

Die Abgeordneten der Regierungsparteien DP, LSAP, déi Gréng und der Oppositionspartei CSV haben eine Entwertung von 2,5 % der Löhne und der Renten beschlossen. Für neun Monate. Die Indextranche von Juli 2022 wird bis April 2023 nicht ausbezahlt.

Bis zum Ende der Legislaturperiode Ende 2023 wird mindestens noch eine zusätzliche Indextranche anfallen. Im Vorfeld will der Staatsminister zu einer Tripartite einladen.
Er und seine Regierung haben die Tagesordnung der angesagten Tripartite  bereits in Ketten gelegt und in die Zwangsjacke des Ohne-den-OGBL-Tripartiteabkommens eingezwängt.

Im „commentaire des articles“ zu ihren Änderungsvorschlägen zum Gesetzesentwurf, der am 15. Juni verabschiedet wurde, hält die Regierung nämlich fest: „Toute adaptation additionnelle déclenchée entre le ler avril 2022 et le 31 décembre 2023 donnera lieu à la convocation d’une nouvelle réunion du Comité de coordination tripartite, pour discuter des modalités du décalage de ladite tranche indiciaire et de la compensation de la perte du pouvoir d’achat à prévoir le cas échéant, en vue de l’établissement d’un projet de loi correspondant“.

Und schlimmer noch: „Die vorliegenden Änderungen (…) stellen nicht den Grundsatz infrage, dass gemäß dem Tripartiteabkommen 12 Monate zwischen zwei Indextranchen liegen müssen.“

Also keine neue Tripartite, sondern lediglich eine, die das Ohne-den-OGBL-Tripartiteabkommen weiter unverändert umsetzen soll. Für die Regierung und für die Abgeordneten ihrer Parteien ist die nächste Indexmanipulation bereits beschlossene Sache. Für weitere zwölf Monate sollen die Löhne und die Renten jeweils um 2,5 % entwertet werden. Sollte, was gegenwärtig nicht auszuschließen ist, die nächste Indextranche noch vor dem April 2023 erfallen, würden sich zwei Indexmanipulationen sogar überlagern. Und sollte noch eine weitere Indextranche bis Ende 2023 anfallen, dann wiederholt sich das eben Gesagte.

Der „Verhandlungsspielraum“ der Gewerkschaftsseite soll auf die Diskussion über die Höhe der über den Staatshaushalt zu finanzierenden „Kompensation“ begrenzt bleiben.
Die zwei Gewerkschaften LCGB und CGFP, die im Ohne-den-OGBL-Tripartiteabkommen bereits die nächste(n) Indexmanipulation(en) gutgeheißen haben, werden sich „wehren“ müssen, um zumindest jene Höhe der „Kompensation“ für die Indexmanipulation zu erreichen, die jetzt im ersten Manipulationsgesetz festgehalten wurde. Voraussichtlich wird die Regierung, vor allem mit Blick auf die Parlamentswahlen, nach „schweren Verhandlungen“ für einen entsprechenden „Verhandlungserfolg“ sorgen. Und wahrscheinlich wird die Regierung der Patronatsorganisation UEL neben der über den Staatshaushalt finanzierten Indexsubvention zu weiteren öffentlichen Finanzspritzen verhelfen.

Die Bühne für die politische Inszenierung „konstruktiver Verhandlungen im Sozialdialog“ ist gerichtet. Bleibt nur die Frage wer Platz auf dieser Bühne einnehmen und dieses politische Programm weiterer Indexmanipulationen mittragen wird?

Der OGBL hat nicht nur das erste Manipulationsgesetz abgelehnt, … sondern auch die wirtschaftliche Analyse der Regierung

Der OGBL hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die für Indexmanipulationen notwendige legitimierende Substanz wirtschaftlicher Krisendaten fehlt. Die in einigen wirtschaftlichen Bereichen bestehenden Probleme bei den Lieferketten oder bei den Energiepreisen begründen mitnichten die Notwendigkeit der flächenübergreifenden Antikrisenmaßnahme wie es die Indexmanipulation eine ist.

Demgegenüber steht die lange Liste der hohen bis sogar außergewöhnlichen Gewinne, die große Teile der luxemburgischen Wirtschaft für das Betriebs – und Handelsjahr 2021 mitgeiteilt haben, wie beispielsweise im  Banken – und Finanzsektor, in der Luftfahrt oder der Industrie. Und es gibt bislang keine Anzeichen für einen Einbruch im Jahr 2022.

Das Nationale Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien (Statec) hat in ihrem Konjunkturbericht vom 6. Juni 2022 keine wirtschaftliche Rezession ausgemacht, sondern geht dieses Jahr von einem Wachstum der luxemburgischen Wirtschaft von 2 %, und von einem Aufschwung von 4 % im Jahr 2023 aus, unter der „Voraussetzung, dass sich die geopolitischen Rahmenbedingungen verbessern und die Preise nicht noch mehr ausufern“.

Es war nicht der OGBL, der feststellte, dass „für die nächsten sechs Monate die Führungskräfte trotz des unsicheren Geschäftsklimas aufgrund der aktuellen Krisen optimistisch bleiben: 32 % erwarten einen Anstieg ihrer Geschäftstätigkeit, 53 % meinen, dass ihre Geschäftstätigkeit unverändert bleiben würde, und 15 % rechnen mit einem Rückgang.“

Und, dass „trotz des von Unsicherheiten geprägten Klimas die überwiegende Mehrheit der Unternehmen zuversichtlich bleibt, was ihre Zukunft und die der Wirtschaft des Landes in den nächsten 2 bis 3 Jahren betrifft.»

Beide Zitate sind dem „Wirtschaftsbarometer“ der Handelskammer entnommen, die bei der Pressekonferenz der Handelskammer am 17. Mai präsentiert wurden. Eine Pressekonferenz, bei der sich der Generaldirektor der Handelskammer zwar bemühte, dunkle Wolken am luxemburgischen Wirtschaftshimmel herbeizureden, sein eigener, während der Konferenz vorgestellte „Wirtschaftsbarometer“ aber seine Wettersicht nicht teilte.

Und wie erklären sich die 50 % der Betriebe, die eine stabile Rentabilität vorhersehen und jene 22 %, die sogar einen Anstieg der Rentabilität prognostizieren! Sind das etwa die dunklen Wolken?

Oder handelt es sich nicht eher um leichte Gewinntrübungen nach dem außergewöhnlichen Geschäftsjahr 2021?

Angesichts der historisch hohen Rentabilität und Gewinne im Jahr 2021 ist ein leichter Rückgang weder außergewöhnlich noch katastrophal

Und weit davon entfernt, generelle Angriffe auf die Löhne in die Wege zu leiten! In diesem Zusammenhang muss auf den gleichzeitigen Anstieg der Verteilungsdifferenz zwischen Kapital und Arbeit hingewiesen werden.

Der Bruttobetriebsüberschuss (EBE) der luxemburgischen Wirtschaft, der als guter Indikator für die wirtschaftliche Rentabilität gilt, hat sich im Zeitraum 2019-2021 nach oben entwickelt. Gleichzeitig gingen die Lohnstückkosten (CSU), also die Löhne im Verhältnis zur Produktivität, leicht zurück. Es ist absehbar, dass die Indexmanipulationen die Verteilungsdifferenz zwischen Kapital und Arbeit erhöhen werden.


Mit der Glaskugel und der Instrumentalisierung des menschenverachtenden,
völkerrechtswidrigen Kriegs Putins wurde die Index-manipulation begründet.


Sind diese Entwicklungen der Grund dafür, dass sogar die Brüsseler Kommission in ihrem Bericht im Zusammenhang mit dem Stabilitäts – und Wachstumspakt und dem Nationalen Reformplan für Luxemburg keine Empfehlung für eine Indexmanipulation machte. Das Auslassen dieser Empfehlung ist umso erstaunlicher, weil  in vergangenen Jahren die Brüsseler Kommission keine Gelegenheit ausließ, unser Indexsystem anzugreifen.

Die Wettbewerbsfähigkeit Luxemburgs ist nicht in Gefahr

Unsinnig sind ebenfalls die Aussagen aus Kreisen des Patronats oder der Regierung, die vor einem drohenden Verlust der Wettbewerbsfähigkeit Luxemburgs warnen. Als wäre Luxemburg das einzige Land, das von der „Krise erschüttert“ wird, das einzige Land, das erhöhten Energiepreisen und der Inflation ausgesetzt ist, das einzige Land, das in einigen Wirtschaftsbereichen von gestörten Lieferketten betroffen ist!  Dem widersprechen nicht nur die allgemeinen Wirtschaftsdaten Luxemburgs, sondern ebenfalls die letzten Inflationsprognosen, die laut STATEC mit +6 % für 2022 und +2,5 % für 2023 den Ländern im EU-Vergleich zuzuordnen sind, die am wenigsten von der Preisentwicklung impaktiert sind.

Zu erwähnen bleibt auch die abstruse Warnung vor dem Verlust des Götzen „Triple A“ aufgrund vermeintlich gefährdeter öffentlicher Finanzen. In seinem Konjunkturbericht vom 7. Juni 2022 prognostiziert STATEC bei den öffentlichen Finanzen einen Überschuss von fast 1 % des BIP für das 2021 und für die Jahre 2022 und 2023 eine weitere Verbesserung auf etwa 1,5 %.

„Dat paradoxt ass awer, datt de Chômage nach niddreg bleiwt“

Zu zitieren bleibt der luxemburgische Wirtschaftsminister, der aus welchen Gründen auch immer, der obenerwähnten Pressekonferenz der Handelskammer beiwohnte, sie mitgestaltete, und feststellte, dass „dat paradoxt ass awer, datt de Chômage nach niddreg bleift“.

Dabei hätte er nur andere Ergebnisse des Wirtschaftsbarometers zur Kenntnis nehmen müssen, um herauszufinden, dass es einen solchen Widerspruch überhaupt nicht gibt: „Trotz der derzeitigen Unsicherheit und Schwierigkeiten erwarten die meisten Unternehmen (65 %), dass sie in den nächsten sechs Monaten ihre Arbeitsplätze erhalten werden. 25 % der Führungskräfte planen sogar, ihre Belegschaft zu vergrößern, gegenüber 10 %, die ihre Belegschaft verkleinern würden. Dieser Trend ist ein gutes Beispiel für die Dynamik der Arbeitsplatzschaffung in Luxemburg“.

Im Einklang dazu steht der Tatbestand, dass die Zahl der Firmenpleiten in den ersten fünf Monaten auf das Niveau des Beginns der Zahlenreihe im Jahr 2018 zurückgegangen ist. Ebenso, dass es keinen Zuwachs bei der Zahl der Sozialpläne gibt.

Wer keine Beweise hat, muss Angst schüren

Die Redebeiträge am 15. Juni der Abgeordneten der Regierungsparteien offenbarten das Dilemma der Regierung, die Indexmanipulation wirtschaftlich rechtfertigen und belegen zu können.

An allen Ecken und Enden fehlten den Abgeordneten der Regierungsfraktionen nämlich die konkreten Beispiele, um den wirtschaftlichen Krisenzustand zu belegen.

Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als Angst zu schüren vor einer wirtschaftlichen Rezession, vor schweren wirtschaftlichen Konsequenzen bis hin zum Abbau von Arbeitsplätzen.

Ohne irgendeinen Beweis dafür zu haben, dass sich diese Entwicklungen auch einstellen werden.

Mit der Glaskugel und der Instrumentalisierung des menschenverachtenden, völkerrechtswidrigen Kriegs Putins wurde die Indexmanipulation begründet.

Und als „historische Premiere“ wurde die hunderte Millionen Euro teure Verstaatlichung des Lohnausfalls zwecks „Kompensation“ der Kaufkraftverluste bejubelt.

Ein „Solidaritätspak“ für die falschen Taschen

Für den OGBL bleibt die Verschiebung der voraussichtlich im Juli 2022 anfallenden Indextranche eine Hunderte Millionen Euro  schwere Subvention für die Betriebe nach Gießkannenart, eine Umverteilung nach oben, ein „Solidaritätspak“ für die falschen Taschen.

Diesen politisch provozierten Kaufkraftverlust je nach Einkommenshöhe ganz, partiell oder überhaupt nicht durch den „crédit d’impôt énergie“ (CIE) auszugleichen, ist eine hohe Belastung für den Staatshaushalt, die keinesfalls als politischer Akt für mehr soziale Gerechtigkeit bezeichnet werden kann.

Sie ist eine über unsere öffentlichen Finanzen finanzierte „solidarische“ Spaltung des Salariats, die aufgrund der historisch gewachsenen ungerechten Verteilung der Steuerbelastung zwischen Kapital und Arbeit auch noch weitgehend vom Salariat selbst bezahlt werden wird.

Appell des OGBL an die Regierung

Der OGBL treibt keine Hellseherei für die kommende Zeit und das kommende Jahr.
Der OGBL behauptet nicht, dass mittelfristig die Entwicklung einer wirtschaftlichen Rezession und Krisensituation ausgeschlossen ist.

Insofern stellt der OGBL die Bedeutung des Luxemburger Modells der Verhandlung von Antikrisenmaßnahmen im Fall einer Krisensituation nicht in Frage.

Der OGBL hat begrüßt, dass das am 15. Juni verabschiedete Gesetz keine weiteren Indexmanipulationen umfasst und dass, gesetzlich gesehen, die Kaskadenwirkung zusätzlicher Verschiebungen bis hin zum Wegfallen von Indextranchen gestoppt ist.

Dadurch hat sich die Möglichkeit von neuen Perspektiven für die Wahrung des sozialen Friedens, für einen konstruktiven sozialen Dialog und für gute soziale Beziehungen in Luxemburg eröffnet. Die Betonung liegt auf dem Wort Möglichkeit.

Der OGBL richtet deshalb den Appell an die Regierung alles zu unternehmen, dass aus der Möglichkeit eine Wirklichkeit wird.

Die Aufgabe: Wie bereite ich einen konstruktiven Sozialdialog vor?

Die Chancen für einen konstruktiven sozialen Dialog sind nicht hoch, wenn die Regierung die angekündigte Tripartite und ihre Tagesordnung inhaltlich nicht neu ausrichtet und keine politischen Kurskorrekturen in Bezug auf das ohne-OGBL-Tripartiteabkommen vornimmt.

Bereits vor der Abstimmung im luxemburgischen Parlament hat der OGBL klargestellt, dass die nächste Tripartite nicht die starrköpfige, vorab festgesetzten Tagesordnung haben darf, wie sie jetzt im „commentaire des articles“ und in der Begründung des am 15. Juni verabschiedeten Gesetzes steht.

Eine Tripartite muss jetzt offen sein und das fängt mit der Tagesordnung an!

Eine Tripartite muss, wie es das Tripartitegesetz vorschreibt, zunächst einmal eine sachliche Analyse der etwaigen Krisensituation machen, die gemeinsam von den Sozialpartnern als Grundlage für die wichtige Diskussion und für das Aushandeln von Antikrisenmaßnahmen festgelegt wird.

Mit anderen Worten: eine Tripartite, die vor ihrem Beginn eine nächste  Indexmanipulation als Vorgabe festlegt und sich nur als das Abspulen des ohne-OGBL-Tripartiteabkommen versteht, hat sehr geringe Erfolgsaussichten.

Und ob es der Regierung gefällt oder nicht: angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Lage muss eine Tripartite auch zum Resultat führen können, dass überhaupt keine weitere Indexmanipulation als Maßnahme festgehalten wird!

Dringlichkeitsreformen, die die Regierung mit Blick auf Verhandlungen nicht vergessen sollte

Das Ergreifen gesetzlicher Initiativen mit Dringlichkeitscharakter, wie beispielsweise der Verzicht auf weitere Steuererhöhungen durch die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation. Seit der Steuerreform 2017 passt die Regierung die Steuertabelle für physische Personen und die Steuerkredite nicht an die Inflation an! Ein weiterer Indexklau der Regierung!

Oder die sinnvolle Bekämpfung der Armut und des Armutsrisikos durch die längst fällige substanzielle Erhöhung und regelmäßige Anpassung der Teuerungszulage (allocation de vie chère), die seit 2009 nicht mehr an die allgemeine Einkommensentwicklung angepasst wurde. Die minimalen Anpassungen der letzten zwei Jahre gleichen nämlich bestenfalls die Inflationsbewegung zwischen 2009-2021 aus.

Oder die Reform des Mietgesetzes und das Ergreifen wirkungsvoller fiskalischer Maßnahmen gegen die Spekulation im Boden – und Immobilienbereich.

Gegen die angekündigte Analyse der Arbeitszeit und ihrer Organisation ist mit Blick auf die Wahlprogramme an sich nichts einzuwenden. Aber bitte nicht ohne die Umsetzung der im Koalitionsabkommen eingeschriebenen und weiterhin ausstehenden Reformen im Arbeitsrecht zu vergessen wie z.B. die Sozialpläne, der Plan zum Beschäftigungserhalt, der Betriebskonkurs und nicht zuletzt die ebenfalls im Koalitionsabkommen vorgesehene Diskussion über die Reform des Kollektivvertragsgesetzes.

Der OGBL wird nicht nachgeben

Der OGBL wird die gewerkschaftliche Mobilisation nicht abbrechen, sondern weiter stärken. Der Vertrauensverlust in den sozialen Dialog der aktuellen Regierung, ist aufgrund des Geschehenen hoch und er verpflichtet die Gewerkschaft zur Bereitschaft, den sozialen Konflikt fortzusetzen, falls es sich für die Absicherung der Interessen aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, sowie aller Rentnerinnen und Rentner Luxemburgs als notwendig erweist.

Für den Sozialstaat, für Steuergerechtigkeit, für den Schutz der Lohngesetze und für die Unterstützung der Wirtschaft, wo und wann sie es wirklich braucht!

Nora Back Präsidentin des OGBL
André Roeltgen Zentralsekretär des OGBL