AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Zurück zur Normalität

Back_Nora_ok_ok_11_gris2Noch ist ungewiss, ob sich die sanitäre Krise so langsam ihrem Ende zuneigt oder ob wir nur mal zwischendurch Luft holen können in Erwartung der nächsten Welle und eventueller neuer (oder alter) einschneidender Maßnahmen, die erneut die Rechte und Freiheiten der Menschen einschränken.

Noch ist es auch verfrüht, das gesamte Ausmaß der negativen sozialen Konsequenzen der Krise definitiv zu erfassen, sei es die steigenden Ungleichheiten, die schulische und außerschulische Entwicklung der Kinder oder die Gesundheit der Coviderkrankten oder die der Kranken, die zeitweise auf die notwendige medizinische Behandlung verzichten mussten.

Diese Aufarbeitung muss geschehen, und sie muss objektiv geschehen, um die nötigen Lehren aus der Krise zu ziehen. Es kann hier nicht bei einem Waringo-Bericht II bleiben.
Dennoch ist es schon jetzt an der Zeit eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Was man bis jetzt sagen kann ist, dass Luxemburg wirtschaftlich und finanziell vergleichbar gut durch die Krise gekommen ist, auch wesentlich besser als erwartet. Auch die Staatsverschuldung bietet keinen Anlass zur Sorge, lässt im Gegenteil weiteren Spielraum zu, ohne dass die selbstverordnete 30%-Grenze überschritten würde.

Die gute finanzielle Situation ermöglicht auch ein progressives Phasing-out aus dem Coronohilfsmaßnahmenpaket, was unbedingt nötig ist, da längst nicht alle wirtschaftlichen Sektoren so glimpflich durch die Krise gekommen sind, wie das die Durchschnittswerte in den Statistiken vermuten lassen. Für viele Unternehmen ist die Krise immer noch nicht vorbei.

Das gilt allerdings nicht nur für die Betriebe. Es ist zu befürchten, dass es Lohneinbußen vor allem bei Niedrigverdienern gab, die schon zu normalen Zeiten Schwierigkeiten haben über die Runden zu kommen. Leider werden die Sozialstatistiken erst mit mehrjähriger Verspätung veröffentlicht.

Es bedarf jetzt des nötigen politischen Mutes.

Der OGBL fordert seit Anfang der Krise, dass vor allem die Kaufkraft dieser Personen gestärkt werden muss. Einige einfache Maßnahmen bieten sich an: Aufwertung der Steuerkredite, dauerhafte und höhere Aufwertung der Teuerungspauschale, aber auch eine strukturelle Aufwertung der Familienleistungen, da Familien mit Kindern generell einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt sind. Die aktuelle Gesetzesvorlage ist absolut unzureichend und wird von uns abgelehnt, da sie unter anderem zusätzlich neue Ungerechtigkeiten zwischen Ansässigen und Grenzgängern schafft.

Wir brauchen auch mehr Steuergerechtigkeit. Die Diskussionen über eine Steuerreform sind angelaufen und durchgreifende Maßnahmen dürfen nicht bis nach den nächsten Wahlen warten, ansonsten werden wir bis zu ihrer Umsetzung wenigstens nochmal fünf Jahre verlieren.

Was die allgemeine Steuergerechtigkeit betrifft, ist eine der Schlussfolgerungen einer rezenten OCDE-Studie, dass Luxemburg eines der „großzügigsten“ Erbschaftssteuersysteme aller OCDE-Länder hat.

Natürlich vor allem für die Happy few.

Die starke Konzentration des Besitzes erlaubt es hier gezielt und progressiv vorzugehen, so dass eine Einführung der Erbschaftssteuer in direkter Linie für den Normalsterblichen nichts ändern würde und eine größere Chancengleichheit entstehen würde.

Chancengleichheit haben wir schon gar nicht im Bereich Wohnungsbau. Hier müssen Nägel mit Köpfen gemacht werden. Sogar der Premierminister hat sich für eine Steuer auf Wohnungen und Grundstücken, die aus Spekulationsgründen leer stehen, ausgesprochen.
Es bedarf jetzt des nötigen politischen Mutes. Steuergerechtigkeit und erschwinglichen Wohnraum gibt es nicht zum politischen Nulltarif. Die politischen Entscheidungsträger müssen die Wahl treffen: wollen sie weiter vor den paar dutzend größten Immobilienbesitzern kuschen oder wollen sie Tausenden und Tausenden von Menschen eine Perspektive auf dem Wohnungsmarkt bieten?

Nora Back,
Präsidentin des OGBL