Antwort an die UEL: Für die „Kompetitivität“ der Mitbestimmung

André Roeltgen Generalsekretär des OGBL

Die UEL ist gegen die Reform der betrieblichen Mitbestimmung und hat die Regierung aufgefordert, ihren Gesetzesentwurf zurückziehen. Diese kategorische Opposition der offiziellen Vertreter des Kapitals ist normal. Sie haben lediglich das getan, wofür die Bosse und die Aktionäre sie bezahlen und liegen im Übrigen voll und ganz in der historischen Tradition ihrer Vorgänger.

Noch nie haben sich die Patronatsvertreter für eine Demokratisierung des Wirtschaftslebens stark gemacht. Noch nie sind sie dafür eingetreten, dass den Lohnabhängigen Rechte und Mittel für die Vertretung ihrer Arbeitsinteressen in der Betriebswelt zugestanden werden. Warum sollte es also in der Gegenwart anders sein? Sie wären keine Patronatsvertreter mehr, wenn sie die Interessen der Arbeit statt die des kapitalistischen Profits vertreten würden.

Und seit jeher ist ihnen die stärkste Form der organisierten Vertretung der betrieblichen Interessen des Salariats, nämlich die Gewerkschaft, ein besonderer Dorn im Auge.

Dass es überhaupt seit dem Beginn des letzten Jahrhunderts zur schrittweisen Anerkennung der gewerkschaftlichen Rechte des Salariats und seiner betrieblichen Verhandlungs- und Vertretungsrechte gekommen ist, ist ausschließlich das Resultat des gewerkschaftlichen und des politischen Kampfes der arbeitenden Menschen selbst gewesen. Die betriebliche Mitbestimmung und ihr gewerkschaftlicher Ausdruck mussten stets gegen den resoluten Widerstand der Patronatsorganisationen und ihrer politischen Lobbyisten durchgesetzt werden.

Wie weit und wie gut sich die Mitbestimmung entwickeln konnte, hat sehr viel mit historischen gesellschaftlichen Umbrüchen und mit den Kräfteverhältnissen in den sozialen und politischen Beziehungen zu tun. Die Zeit vor und nach den beiden Weltkriegen oder jene der starken linkspolitischen Reformbewegungen in den 70er Jahren sind markante Beispiele für diese Dynamik. Es ist deshalb kein Zufall, dass die aktuellen Mitbestimmungsgesetze aus dem Jahr 1979 stammen.

Seit den 90er Jahren fordert der OGBL die Modernisierung dieser Gesetzgebung. Und das aus einem sehr einfachen Grund. Die Betriebswelt hat sich seit den 70er Jahren sehr stark verändert. Niemand leugnet das. Die Mitbestimmungsgesetze wurden aber nicht reformiert. Im Verlauf der letzten 34 Jahre kam es nur zu einer einzigen nennenswerten Änderung: die (obligatorische) Umsetzung der europäischen Direktive 2002/14, besser bekannt unter dem Namen „Vilvoorde/Renault-Direktive“.

Es besteht akuter und hoher Nachholbedarf. Die luxemburgischen Mitbestimmungsgesetze sind absolut veraltet und überholt. Sie haben aus diesem Grund kontinuierlich an Wirkungskraft verloren. Auf viele Fragen geben sie schon längst keine befriedigenden Antworten mehr. Zum Nachteil des Salariats und zum Vorteil des Patronats.

Jedes Jahr, das verstrichen ist, jede neue Legislaturperiode, die ohne ein neues Gesetz zu Ende kam, hat Schritt für Schritt den sozialen Dialog seines Inhalts und somit seiner Wirksamkeit entleert. Es würde die UEL arrangieren, wenn es munter so weiterginge.

Das Gesetzesvorhaben, das jetzt auf dem Tisch liegt, ist ein erster bescheidener Schritt in die richtige Richtung. Mehr nicht und auch nicht weniger. Von einem „Geschenk an die Gewerkschaften“ oder von einem „Verlust der betrieblichen Manövrierfähigkeit“ kann überhaupt nicht die Rede sein.

Die Gesetzesvorlage muss vor den Sommerferien im Parlament zur Abstimmung kommen. Ein weiterer Aufschub ist inakzeptabel. Weil im Herbst Sozialwahlen sind und die Lohnabhängigen  Luxemburgs ein legitimes Recht darauf haben, dass die neu gewählten Personaldelegierten ihre gesetzliche Mission besser wahrnehmen können. Der OGBL wird auch nicht akzeptieren, dass die Gesetzesvorlage nach unten revidiert wird. Hierzu ist sie, wie schon gesagt, viel zu bescheiden.

Im Jahre 2010 wurde der Wirtschafts- und Sozialrat bereits das Opfer der Blockadehaltung des Patronats, als seine Vertreter jede seriöse Diskussion über den „sozialen Dialog in den Betrieben“ ideologisch niederkeulten mit der stupiden Behauptung, dass eine Aufwertung der Mitbestimmung der „Kompetitivität“ der Betriebe schaden würde. Mal abgesehen davon, dass in Wahrheit gute Mitbestimmungsgesetze eine positive Wirkung auf die wirtschaftliche Produktivität Luxemburgs haben, liegt im Kern dieser Aussage der UEL nichts anderes als die latent reaktionäre Infragestellung der gewerkschaftlichen Rechte und Freiheiten des Salariats. Wollen wir auf diese Art und Weise für unseren Wirtschaftsstandort, für das Arbeiten und für das Leben in Luxemburg werben? Die klare Haltung der Politik ist jetzt gefragt. Noch vor dem Sommer.