Das Wort des Präsidenten

Von Ronald zu Donald

André Roeltgen, Président de l‘OGBL
André Roeltgen, Präsident des OGBL

Trump ist kein Ausrutscher oder Zufall der Weltgeschichte.

Seine Machtübernahme in den USA ist das historische Produkt einer wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Entwicklung, die in der angelsächsischen Welt Ende der 70er- und im Verlauf der 80er-Jahre unter dem amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan und der britischen Premierministerin Margareth Thatcher ausgelöst wurde.

Reaganomics und Thatcherismus, die Inbegriffe für die politische Umsetzung der (ultra)liberalen Wirtschafts-theorien der Chicagoer Schule, entfesselten jene Liberalisierung der kapitalistischen Wirtschaft und Finanzwirtschaft, die zu einer Verteilungskrise des erwirtschafteten gesellschaftlichen Reichtums geführt hat, wie sie die Menschheit seit ihrem Bestehen noch nicht erlebt hat. Mittlerweile besitzt die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung weniger als die 8 reichsten Männer der Welt. 409,1 Milliarden Dollar gegen 426,2 Milliarden Dollar!

Dass der reichste Mensch, Bill Gates, über ein Nettovermögen von 75 Milliarden Dollar verfügt, hat er in erster Linie der Reaganomics, dem Thatcherismus zu verdanken und nicht Microsoft! Der durch die neoliberale Politik und Ideologie entfesselte kapitalistische Marktliberalismus hat eine Spirale des weltweiten Fiskal-, Sozial- und Lohn-dumpings ausgelöst, die Tag für Tag, Stunde um Stunde, die soziale Ungleichheit in der ganzen Welt auf neue Rekordhöhen hebt. Wie viele soziale, politische und kulturelle Krisen, wie viele zerrüttete Staaten, autoritäre Regime, Bürgerkriege und Kriege gehen auf ihr Konto?

Seit längerem machen die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krisen auch nicht mehr vor den reichen Ländern der sogenannten freien westlichen Welt halt. Die soziale Verarmung von erheblichen Teilen der amerikanischen Mittelschicht hat Donald Trump den Weg zur Präsidentschaft geebnet. Und in Europa? Laut OXFAM besitzen in Deutschland 36 Milliardäre so viel Vermögen wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung und das reichste Prozent rund ein Drittel des gesamten Vermögens.

Die Annahme ist berechtigt, dass die für Deutschland festgestellte massive Schieflage bei Vermögen und Verteilung der Wirtschaftsresultate auch für Europa insgesamt zutrifft. Die Verteilungskrise ist der Grund dafür, dass der europäische Integrationsprozess seine bislang schwerste politische Krise erfährt.

Eine politische Krise, die Europa nicht gewinnen kann, wenn es die Lösung der Verteilungskrise nicht zur obersten Priorität, zur Dringlichkeitsstufe seiner politischen Agenda macht. Für Europa ist die Umverteilung von oben nach unten zur existentiellen Notwendigkeit geworden. Jede andere Option wird die europazersetzenden nationalistischen und populistischen Bewegungen und Parteien weiter stärken. Jede politische Partei, die vorgibt ein gemeinsames Europa zum Wohl seiner Bürger vertreten zu wollen, muss die Verteilungsfrage bei den Produktivitätsgewinnen aufwerfen, und zwar in Richtung besserer Reallöhne. Sie muss ebenfalls offensiv für die dringliche Stärkung und für den fortschrittlichen Wiederaufbau des Sozial- und Wohlfahrtsstaates wirken.
Jedes europäische Land braucht die notwendigen haushaltspolitischen Spielräume für gute öffentlich-solida-rische Sozialversicherungen, staatliche Dienst- und
Sozialleistungen, sowie für öffentliche Investitionen in Bildung, Gesundheit und in zukunftsorientierte und umweltschonende Infrastrukturen. Dies wird ohne eine tiefgreifende Kurskorrektur in der Fiskalpolitik nicht möglich sein. An einer signifikant höheren Besteuerung der Kapitaleinkünfte, der multinationalen Konzerne und der hohen Einkommen und Vermögenswerten wird kein Weg vorbeiführen.

Die soziale Marktwirtschaft neu und vor allem europäisch zu definieren ist das Gebot der Stunde, nachdem der Wirtschaftsliberalismus bei der Gestaltung des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes, einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik und der Währungsunion versagt hat.

Auch in Bezug auf den „Freien Handel“ über Europa hinaus ist eine Kurskorrektur vonnöten. Wir sind meilenweit von gleichberechtigten Handelsbeziehungen zwischen den Ländern und Erdteilen entfernt. Im neoliberalen Weltbild wirtschaftlicher Handelsbeziehungen sind soziale, ökologische und demokratische Spielregeln nicht vorgesehen. Dabei wären sie die besten Waffen gegen Protektionismus und drohende Handelskriege.

Doch solange es die multinationalen Konzerne sind, die der Politik die Spielregeln des Welthandels und der interna-tionalen Investitionen vorschreiben, bleiben die Interessen der Weltbevölkerung außen vor. Wasser auf die Mühlen von Trump und Konsorten.
Die USA verlieren mit Trump. Europa verliert mit Le Pen, Wilders, Petry.

Aber die Bevölkerung Europas ist verunsichert und sozial verletzt. Wenn die Politik sie für Europa wieder gewinnen will, dann muss sie der Verteilungskrise und der sozialen Ungleichheit radikal entgegensteuern.