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Resolution, angenommen vom syndikatstag vom 23. November 2006: „Hyperaktivismus“ in den luxemburgischen Krankenhäusern

Ein Großteil der öffentlichen Gelder, die in das luxemburgische Gesundheitswesen fließen, dienen dazu die Leistungen, die in den Krankenhäusern erbracht werden, abzusichern. Die Krankenhäuser haben dafür zu sorgen, dass die zur Verfügung stehenden Mittel sinnvoll und wirksam für den Patienten eingesetzt werden, was voraussetzt, dass die Organisation der Dienstleistungen so ausgerichtet ist, dass jeder Patient unter bestmöglichen Bedingungen untersucht und behandelt werden kann.

Das Krankenhauspersonal und dessen OGBL-Personalvertreter stellen jedoch seit Jahren fest, dass über mehr oder weniger lange Zeiträume mehr Aktivität ausgeübt wird, als das einzelne Krankenhaus oder verschiedene seiner Abteilungen unter korrekten Bedingungen leisten können. Hierbei handelt es sich aber keineswegs nur um ein Mehr an Aktivitäten, die dringende oder gar lebenswichtige Eingriffe an Patienten darstellen; die Gründe für diesen „Hyperaktivismus“ liegen auf einer ganz anderen Ebene:

Konkurrenz- und Benchmarkingdenken statt Zusammenarbeit

Die Einführung der Budgetisierung zur Krankenhausfinanzierung Mitte der 90er Jahre hat zum einen zu mehr finanzieller Transparenz und Verteilungsgerechtigkeit geführt. Weniger positiv ist aber, dass sich bei den Krankenhäusern eine Funktionsweise eingeschlichen hat, welche darauf bedacht ist, ein Maximum an Aktivität aufzuweisen, da sonst die von der Krankenkassenunion zur Verfügung gestellten Geldmittel, zwecks Finanzierung von Personal und Material, gekürzt werden könnten.

Diese Sichtweise führt dazu, dass sich der Konkurrenzkampf zwischen den Krankenhäusern weiter verschärft hat, der allein zum Ziel hat sich den größtmöglichen  Marktanteil zu sichern, wobei es ganz klar ist, dass eine Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern eher eine Ausnahme ist und deshalb Komplementaritätsüberlegungen, welche im Interesse des Patienten wären und eine bessere Organisation der Dienstleistungen ermöglichen würden, in den Hintergrund verdrängt werden.
Durch die Auszahlung so genannter „Qualitätsprämien“ wird Benchmarkingdenken
(= sich mit anderen Krankenhäusern vergleichen) weiter gefördert und führt dazu, dass das qualitätsschädigende Konkurrenzdenken an Überhand gewinnt. Aus Prestigegründen werden in jedem Krankenhaus möglichst viele verschiedene Dienstleistungen angeboten. Die Krankenhausdirektionen spornen die Ärzte zur maximalen Aktivität an und dies ohne Rücksicht auf Überbelastung und dem damit verbundenen Qualitätsverlust.
Leider spielt die Dachorganisation der luxemburgischen Krankenhäuser (EHL) dieses Spiel mit.
Aktuelles Modell der liberalen Medizin wirft immer mehr Fragen auf

Der liberalen Ärzteschaft kommt dieses entgegen, denn je mehr Patienten mit möglichst vielen medizinischen Akten durch die Krankenhäuser geschleust werden, desto lukrativer ist das „Geschäft“ mit dem kranken Menschen. Die Frage die sich stellt: warum gibt es in  Luxemburg keine Kontrollinstanz, welche die Berechtigung verschiedener Pflege- und Dienstleistungen bescheinigt, und somit diesen Missstand unterbindet?
Aus Angst, einen Patienten an einen „Konkurrenten“ zu verlieren, werden in den Krankenhäusern jederzeit Überbelastungen akzeptiert, so dass die geregelte  Planung der Aktivität zweitrangig wird, trotz aller Risiken, die daraus für Patient und Personal entstehen. Die Sicherheit des Patienten muss sogar zeitweilig in Frage gestellt werden, da das Personal oft hoffnungslos überfordert ist, Stressituationen an der Tagesordnung sind und somit die Gefahr, dass Fehler passieren, außerordentlich hoch ist.
Praktizieren angestellte Ärzte im Krankenhaus, zeigt sich, dass eine bessere Koordination zwischen Regelaktivität und Notfallmedizin, eine sinnvolle Planung der Bettenkapazitäten, die Einhaltung der elementarsten Funktionsregeln und zeitlichen Organisationsformen,… möglich ist. Die Förderung und die Ausweitung des Systems  der „angestellten Ärzteschaft“ muss berechtigterweise von der Politik und den Verantwortlichen im Krankenhauswesen ins Auge gefasst werden.

PRN : Die Berechnung des Personalschlüssels ist den reellen Bedürfnissen nicht angepasst.

Das so genannte Modell PRN bemisst zwar 100% des Arbeitsvolumens, jedoch wird die Personalbestückung nur mit 82 % versehen. Das heißt im Klartext, dass für 100% geforderte Leistung und Qualität, nur 82% Personal zur Verfügung gestellt werden.
Da diese Berechnung einen Jahresdurchschnitt darstellt, wird schnell ersichtlich, dass jegliche Abweichung von der normalen Aktivität nach oben, diesen Unterschied des punktuellen Personalmangels noch vergrößert, d.h. dem Patienten ein noch größerer Teil an den Pflege- bzw. Dienstleistungen, die ihm zustehen, vorenthalten wird.

In Anbetracht dieser Situation fordert das Syndikat Gesundheit und Sozialwesen des OGBL :

  • eine grundlegende Analyse der aktuellen Funktionsweise in allen Bereichen des Krankenhauswesens und die dazugehörenden notwendigen Korrekturen
  • eine transparente und einheitliche Krankenhauspolitik, die die derzeitigen Konkurrenzpraktiken zugunsten von Komplementaritätsüberlegungen abschafft
  • die Einführung einer Kontrollinstanz für das Gesundheits- und das Krankenhauswesen
  • die Förderung und die Ausweitung des Systems  der „angestellten Ärzteschaft“
  • die vom OGBL seit langem geforderte nationale medizinische Bedarfsanalyse
  • die Einführung von Mindestnormen für die Personalbestückung damit jederzeit qualitative Dienstleistungen und die größtmögliche Sicherheit des Patienten und des Personals garantiert sind
  • realistisch umsetzbare Qualitätsverbesserungsvorschläge, die nicht auf Benchmarking und reinem Konkurrenzdenken beruhen

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