6 juin 2019

Luxemburger Wort

Noch Luft nach oben

Cercle de Coopération fordert kohärentere
Entwicklungshilfepolitik

Von Marc Hoscheid

article_wort_2

Mitte Mai hatte die LSAP-Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit Paulette Lenert in ihrer Regierungserklärung eine Bilanz der vergangenen fünf Jahre gezogen. Fazit: Luxemburg bleibt im internationalen Vergleich ein Musterschüler, was allerdings angesichts der Zurückhaltung anderer Länder auch nicht ganz so schwer ist.

420 Millionen Euro investiert das Großherzogtum 2019, der Großteil fließt in Projekte in sieben prioritäre Partnerländer, darunter die Sahelstaaten Burkina Faso, Mali, Niger, und Senegal. Luxemburg gehört damit zu jenen wenigen Staaten, die mindestens 0,7 Prozent, im Fall von Luxemburg ist es sogar rund ein Prozent, ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) in die Kooperationspolitik investiert.

Armand Drews, Präsident des Cercle de Coopération des ONG de Développement de Luxembourg, begrüßt diesen Umstand ausdrücklich. Generell zeigt man sich beim Cercle zufrieden mit der Politik, sowohl mit der aktuellen Regierung als auch mit deren Vorgängerinnen.

In Ghana wird Fisch von „Provençale“ serviert

Auch die Tatsache, dass sich der Großteil der Investitionen auf einige privilegierte Partnerländer fokussiert, findet die Unterstützung des Cercle. Als positives Beispiel nennt Drews den Kap Verde. Um die Sicherheit von Hilfsprojekten zukünftig besser gewährleisten zu können, stellt das Ministerium demnächst einen Sicherheitsexperten, vermutlich ein Mitglied der Armee, ein. Dieser soll die Lage in den jeweiligen Staaten analysieren. Vor diesem Hintergrund ist ein Treffen zwischen Vertretern des Cercle und Ministerin Lenert geplant, um auszuloten, inwiefern auch Nichtregierungsorganisationen vom Wissen des Experten profitieren können.

Kritik äußert Drews an der in seinen Augen mangelnden Kohärenz. Obwohl sich in diesem Punkt einiges verbessert habe, komme es weiterhin vor, dass man Ländern, denen man Entwicklungshilfe zukommen lasse, auf andere Weise schade, beispielsweise durch eine verfehlte Handelspolitik. So habe er einmal in einem Restaurant in Ghana erlebt, dass dessen Besitzer voller Stolz berichtet habe, er erhalte seinen Fisch von der luxemburgischen Firma „Provençale“. Dabei liege Ghana direkt am Meer und könne sich eigentlich durch eigenen Fischfang versorgen.

Auf europäischer Ebene könnte die Union nach Ansicht von Drews mehr in Sachen Kooperationspolitik tun. Vor allem da die meisten Mitgliedsstaaten das selbst gesteckte Ziel, 0,7 Prozent ihres BNE in die Entwicklungshilfe zu investieren, eben nicht erreichen. Zudem sei es für Ehrenamtliche immer schwieriger, die hohen administrativen Hürden zu meistern. Angesprochen auf die mögliche Gefahr einer Infragestellung der Kooperationspolitik durch die bei der EU-Wahl gestärkten nationalistische Kräfte meint Drews, dass diese durchaus gegeben sei. Allerdings stünden Konservative, Sozialisten, Liberale und Grüne, der Entwicklungshilfe weiterhin positiv gegenüber.

Drews hatte sich in der Vergangenheit bereits häufiger für die Schaffung einer „Maison des ONG de développement“ ausgesprochen. In dieser sollen mehrere Nichtregierungsorganisationen aus dem Kooperationsbereich unter einem Dach vereint werden. Die aktuellen Räumlichkeiten habe man von Anfang an nur als Zwischenetappe betrachtet. Auch wenn eine schnelle Lösung unrealistisch sei, gebe man den Traum dennoch nicht auf. Da der aktuelle Mietvertrag zum Ende des Jahres ausläuft, befinde man sich derzeit in Verhandlungen über eine Verlängerung. Drews zeigt sich vorsichtig optimistisch, dass es zu einer Einigung kommen und der Cercle auch über 2019 hinaus in der Rue Saint-Ulric im Grund beheimatet sein wird.

42 000 Teilnehmer bei den European Development Days Auf europäischer Ebene beschäftigt man sich während den seit 2006 jährlich organisierten European Development Days (EDD) mit dem Thema Entwicklungshilfe. Die 13. Edition findet in diesem Jahr am 18. und 19. Juni in Brüssel statt. 42 000 Teilnehmer, die sich auf 4 500 Organisationen aus 154 Ländern aufteilen, machen die Veranstaltung zum weltweit größten Event seiner Art. 2 670 Redner, darunter EUKommissionspräsident Jean-Claude Juncker, halten während der beiden Tage Vorträge.

Besonderer Wert wird seit jeher auf die Einbeziehung der Jugend gelegt. Deswegen wurden auch in diesem Jahr wieder 15 sogenannte „Young Leaders“, welche sich in ganz unterschiedlichen Bereichen engagieren, eingeladen.

Luxemburger Wort vom Donnerstag, 6. Juni 2019, Seite 3

Les commentaires sont fermés.