Eine Frage, die man gelegentlich hört, wenn man über die Aktivitäten der ONG „OGBL Solidarité Syndicale“ in Ghana spricht, ist diese: „A waat mécht den OGBL an Afrika? Hu mäer net genuch Problemer hei bei eis?“
Die Frage ist leicht zu beantworten, denn eine Gewerkschaft hat zwar an erster Stelle die Interessen ihrer Mitglieder zu verteidigen, muss darüber hinaus aber auch gesamtgesellschaftlich und sogar international aktiv sein.
Wir reden zwar oft von den Problemen der Dritten Welt, in Wirklichkeit aber leben wir alle in einer einzigen Welt, und die muss für jeden Menschen gerecht sein. Die Globalisierung hat gezeigt, dass sich der Kapitalismus mit Erfolg weltweit ausgebreitet hat. Es ist schon eine Selbstverständlichkeit geworden, Arbeitsplätze nach China, Indien, Bangladesch, Vietnam oder neuerdings auch wieder nach Osteuropa auszulagern.
Afrika ist derzeit zwar noch weitgehend eine industrielle Wüste, aber wer hätte es vor ein paar Jahren noch für möglich gehalten, dass „unsere“ Stahlindustrie einmal von Indien aus geleitet werden könnte? Dagegen finden wir es fast schon normal, dass unsere Kleidung und andere Textilien aus exotischen Billiglohnländern kommen, in denen Menschen rücksichtslos ausgebeutet werden.
Internationale Solidarität mit den Menschen aus den so genannten Entwicklungsländern ist also auch in unserem eigenen Interesse. Wenn wir uns am demokratischen, sozialen und wirtschaftlichen Aufbau in diesen Ländern beteiligen, tragen wir zu einer Stabilisierung bei, die auch unsere Rechte und unsere Arbeitsplätze einmal schützen kann.
Der Kolonialismus existiert immer noch
Mal ehrlich: Was wissen wir über Afrika? In der Regel nur das, was Presse und Fernsehen berichten. Und dann gibt’s noch ein paar Bücher und Filme.
Afrika gilt als der dunkle, der schwarze Kontinent. Wenn wir „Dritte Welt“ sagen, dann meinen wir an erster Stelle Afrika. Wir wissen, dass es viel Elend gibt in Afrika. Krieg, Hunger, Krankheiten, Gewalt und Tod.
Warum das so ist? Über die Gründe glauben wir zu wissen, dass es viele kriegerische Auseinandersetzungen gibt, Machtkämpfe, Gier nach Reichtum, Bestechlichkeit und Korruption.
Aber wissen wir auch, dass die meisten afrikanischen Länder noch gar nicht so lange unabhängig sind, dass sie eine koloniale Vergangenheit haben und dass die Grenzen, in denen sie heute bestehen, meist von den Kolonialherren willkürlich festgelegt wurden, ohne Beachtung der ethnischen und geografischen Besonderheiten?
Aber der Kolonialismus in Afrika ist nicht nur Vergangenheit, er ist auch Gegenwart und belastet die Zukunft des Kontinents. Viele afrikanische Länder sind reich an Bodenschätzen. Aber auch Holz, landwirtschaftliche Produkte und sogar Nahrungsmittel werden aus Afrika in die Länder der Ersten Welt exportiert.
Aus einem Kontinent, auf dem immer noch weitgehend Elend, Hunger und Krankheiten herrschen, wo Demokratie und Menschenrechte vage Vorstellungen sind.
Wir haben gegenüber Afrika also nicht nur eine historische Schuld, wegen des Kolonialismus, sondern auch eine materielle, weil auch wir indirekt von der Ausbeutung des Kontinents profitieren.
Kampf gegen die Kindersterblichkeit
Eines der größten Probleme der Länder der Dritten Welt ist die Kindersterblichkeit. Nach einem Bericht der Unicef starben im Jahr 2011 jeden Tag 19.000 Kinder unter fünf Jahren. Das sind aber immerhin 14.000 weniger als noch 1990.
Die weltweite Kindersterblichkeit ist von 87 Todesfällen auf 1.000 Geburten auf 51 gesunken. Das entspricht einem Rückgang von 41 Prozent.
Entwicklungshilfe, die von vielen Menschen immer noch skeptisch gesehen wird, ist also sehr wohl in der Lage, den Menschen zu helfen. Auch wenn das Ziel, die Kindersterblichkeit bis zum Jahr 2015 um zwei Drittel zu senken, nicht erreicht werden kann, dann hat sich doch gezeigt, dass man gezielt dagegen angehen kann.
Die meisten Todesfälle bei Kindern in Ländern der Dritten Welt sind auf fünf Ursachen zurückzuführen: Lungenentzündung, Frühgeburt, Durchfallerkrankungen, Komplikationen bei der Geburt und Malaria.
Fortschritte gab es inzwischen beim Kampf gegen ansteckende Krankheiten durch Impfungen. So konnten z. B. die Todesfälle durch Masern von etwa 500.000 im Jahr 2000 auf 100.000 im Jahr 2011 gesenkt werden.
Bei Durchfallerkrankungen konnten die Todesfälle im gleichen Zeitraum von 1,2 Millionen auf 700.000 gesenkt werden.
Erfolge im Kampf gegen die Kindersterblichkeit konnten vor allem durch eine bessere Hygiene, durch sauberes Trinkwasser und eine dauerhafte ärztliche und medizinische Versorgung erzielt werden.
Deshalb entschied sich der OGBL, als er vor einigen Jahren seine ONG Solidarité Syndicale gründete und zusammen mit der OIT (Organisation Internationale du Travail) ein Hilfsprojekt in Ghana startete, dafür, sich für die Gesundheit, Ernährung und Erziehung von Müttern und Kindern in diesem afrikanischen Land zu engagieren.
Von der Dunkelheit ans Licht
Ghanas Geschichte ist, wie die aller afrikanischer Länder, vom Kolonialismus geprägt. Im 15. Jahrhundert fielen zunächst die Portugiesen in das Land ein. Da Ghana über erhebliche Goldvorkommen verfügte und der Sklavenhandel reichlich Gewinn einbrachte, wurden Begehrlichkeiten geweckt, zunächst bei den Holländern und dann bei den Briten, die die Herrschaft übernahmen und das Land ihren Kronkolonien beifügten.
1957 erkämpfte Ghana, als erstes Land in Westafrika, seine Unabhängigkeit. Nach mehreren internen Machtkämpfen und Turbulenzen hat sich der Staat seine Unabhängigkeit bewahrt und gilt heute, politisch und wirtschaftlich gesehen, als eines der stabilsten afrikanischen Länder.
Die Ausgaben für den Militärhaushalt in Ghana lagen im Jahr 2010 bei 0,4 Prozent des BIP. In den Nachbarländern lagen diese Ausgaben: Benin: 1%, Burkina Faso: 1,3%, Elfenbeinküste: 1,6%, Togo: 1,7%.
Ghana liegt in Westafrika, hat etwa die Größe von Großbritannien und zählt rund 25 Millionen Einwohner. Die Hauptstadt Accra liegt im Süden, am atlantischen Ozean, und die Tatsache, dass diese Gegend immer noch die Goldküste genannt wird, sagt uns, dass Gold auch heute noch eine wichtige Exportware ist.
Die Lebenserwartung der Menschen liegt bei 57 Jahren. Die Kindersterblichkeit liegt bei 11,2 %, ist also immer noch relativ hoch.
Wie in den meisten afrikanischen Ländern ist auch Aids ein Problem in Ghana. Im Jahr 2001 lebten noch etwa 200.000 Kinder, deren beide Eltern oder ein Elternteil an Aids gestorben waren, in Waisenhäusern.
Verhütung und Geburtenkontrolle sind Problemthemen. 70% der Bevölkerung gehören christlichen Kirchen an, und so mag es nicht verwundern, dass derzeit nur etwa ein Viertel aller Frauen angab, über Geburtenkontrolle Bescheid zu wissen, während nur etwa 15% der Männer Kondome benutzen wollten.
Mütter und Kindern helfen
Ghana ist ein junges Land, fast 40% der Bevölkerung sind jünger als 14 Jahre. Die Bevölkerung wächst schnell. In den letzten 25 Jahren hat sie sich fast verdoppelt.
Das Land hat große Probleme in fast allen gesellschaftlichen Bereichen. Die Kindersterblichkeit ist mit 118 Todesfällen auf 1.000 Geburten immer noch sehr hoch. Knapp ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der nationalen Armutsgrenze. Lediglich 10% der Bevölkerung sind ausreichend sozialversichert. Etwa 35 Prozent sind Analphabeten.
Die Regierung hat in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um das Gesundheitswesen und die Sozialversicherung aufzubauen und zu stärken. Aber immer noch gehen lediglich 7% aller Staatsausgaben in das Gesundheitswesen. Ein Sozialhilfeprogramm, das 2008 geschaffen wurde, unterstützt derzeit landesweit etwa 35.000 Familien.
Wie in allen Entwicklungsländern leiden Mütter und Kinder unter schlechten hygienischen und gesundheitlichen Bedingungen. Nach einem Bericht der WHO stirbt in den Ländern Afrikas südlich der Sahara durchschnittlich eine von 16 Frauen an den Folgen einer Schwangerschaft.
Die Menschen in diesen Ländern haben unter einer mangelhaften gesundheitlichen Versorgung zu leiden und sind häufig unterernährt.
Die Gesundheit von Müttern und Kindern in den Entwicklungsländern zu schützen ist ein Schwerpunktthema für die internationale Entwicklungszusammenarbeit und ein wichtiges Ziel im Katalog der UN, der im Jahr 2000 verabschiedet wurde und für alle Mitgliedstaaten verbindlich ist.
Diese Ziele, die Kindersterblichkeit zu verringern und die Gesundheit der Mütter zu verbessern, verfolgt auch das Hilfsprojekt der ONG „OGBL Solidarité Syndicale“ in Ghana, das darüber hinaus allerdings auch soziale, erzieherische und sogar ökonomische Komponenten enthält.
Verfasser des Artikels: Léon Claus