Angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklungen in Bezug auf Ungleichheit und Armutsrisiko sind das Steuersystem und die Sozialtransfers normalerweise die wichtigsten Instrumente, um das Ruder über ein leistungsfähiges Umverteilungssystem herumzureißen.
Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass die Wirksamkeit von Sozialtransfers (ohne Renten) zur Verringerung des Armutsrisikos im Laufe der Jahre abgenommen hat (siehe vorherige Seite). Auch die Wirksamkeit des Steuersystems scheint im internationalen Vergleich begrenzt zu sein. Die folgende Grafik zeigt, dass nach OECD-Daten das luxemburgische Steuersystem zwar eine Korrektur der Bruttoeinkommensverteilung ermöglicht, aber diese Korrektur ist eine der niedrigsten der verglichenen Länder (Fig.8).
Die Interpretation dieses Ergebnisses kann nur komplex sein, weist aber zweifellos teilweise auf die bereits thematisierten Elemente einer Progressivität der Besteuerung hin, die auf mittleren und unteren Einkommen (zwischen 11.000 und 45.000 €) beruht, sowie auf die bevorzugte Behandlung von Vermögenseinkommen gegenüber Arbeitseinkommen, wobei zu beachten ist, dass der Anteil der Vermögenseinkommen mit der Höhe des Einkommens steigt und ab den höchsten Einkommensstufen sogar deutlich ansteigt.
Die folgende Grafik stellt zwar einen Sonderfall dar (eine Person bezieht ihr gesamtes Einkommen aus ihrer Tätigkeit als Arbeitnehmer, während die zweite Person nur Einkünfte aus Kapitalvermögen hat, von denen 90 % Dividenden und 10 % Zinsen sind), aber aufgrund der umfangreichen Steuerbefreiungen ist ein deutlich stärkerer Anstieg der Besteuerung von Arbeitseinkommen als von Kapitaleinkommen zu verzeichnen (Fig.9).
Im Klartext heißt das, dass die Besteuerung bei gleichem Einkommen je nach Art des Einkommens stark divergiert, was eine grundlegende Ungerechtigkeit unseres Steuersystems darstellt.
Stellt man außerdem die Besteuerung eines reinen Lohneinkommens bei gleichem Einkommen von 50.000 Euro einem gemischten Einkommen aus Lohn und verschiedenen Kapitaleinkünften gegenüber, so zeigt sich, dass ein Arbeitnehmer mit einem Bruttolohn von 4.167 Euro monatlich mit einem höheren Durchschnittssteuersatz zur Steuer beiträgt als ein anderer Arbeitnehmer, der über ein gemischtes Einkommen aus Lohn und Kapitaleinkünften aus Mobilien oder Immobilien (Miete, Sparzinsen, Dividenden, Veräußerungsgewinne) verfügt. In all diesen Fällen gilt: gleiches Einkommen, unterschiedliche Besteuerung.