Gut und erschwinglich in Luxemburg zu wohnen ist nicht mehr selbstverständlich. Sich den Wunsch von den eigenen vier Wänden zu erfüllen, rückt für viele Haushalte in weite Ferne.
Die Löhne und die Einkommen der unteren und mittleren Einkommensschichten halten seit Jahren nicht mehr Schritt mit der Preisentwicklung im Wohnbereich.
Der soziale Wohnungsbau hinkt dem Bedarf hinten her.
Auf die wichtige Frage, wie die Preisspirale bei den Miet- bzw. Kaufpreisen im Wohnbereich gestoppt oder zumindest gebremst werden kann, gibt es von seiten der Politik keine befriedigende Antwort. Sie gibt vor, dass vordergründig ein höheres Angebot an bebaubarem Land und an Wohnungen eine Stabilisierung der Preise herbeiführen soll.
Der OGBL bestreitet nicht die Notwendigkeit eines höheren Angebots an bebaubarem Land und Wohnungen, um der Nachfrage der Bevölkerung entgegenzukommen.
Die Gewerkschaft bestreitet aber die Annahme, dass mit einer Erhöhung des Angebots die Preisspirale zu stoppen sei.
Und dies aus einem einfachen Grund. Das Anlegen von Kapital im Immobilienbereich verspricht hohe Renditen und diese Aussicht lockt viel Geld aus dem In- und Ausland auf unseren Wohnungsmarkt. Der Umstand, dass auf unabsehbare Zeit niedrige Zinsen die Geldkredite billig machen, spielt den in- uns ausländischen Anlegern zusätzlich in die Karten.
Die aus kommerziellen Profitgründen angefeuerte Nachfrage an Bauland- und Immobilienbesitz ist die Hauptursache für die Preisbeschleunigung in Luxemburg.
Die Anleger schielen gierig darauf, sich neues und bereits bebautes Land unter den Nagel zu reissen. Kommt neues oder bereits bebautes Land auf den Markt, ist ein immer höherer Anteil in kürzester Zeit von Kapitalanlegern aufgekauft und deren Konkurrenz lässt die Preisspirale munter weiter drehen.
Auf dieses grundsätzliche Problem gibt es nur eine Antwort.
Wer die Preisspirale bei den Miet- bzw. Kaufpreisen im Wohnbereich bremsen will, der muss mit aller Konsequenz gegen diese Bauland- und Wohnbauspekulation vorgehen.
Es gibt keine andere Alternative. Aber es gibt hohe Widerstände. Die Lobbyisten der Immobilienbesitzer, der Immobilienfonds und der marktführenden Bauherren lassen nichts unversucht, um gesetzliche Maßnahmen gegen die Spekulation zu verhindern. Das gute Geschäft darf nicht verdorben werden.
Sie beschwören die „Notwendigkeit des freien Spiels der Marktkräfte“, schüren Angst mit der Behauptung des „staatlichen Angriffs auf den Privatbesitz“ oder mit jener des „Ausbleibens wichtiger Kapitalressourcen“ für den Wohnungsbau oder verweisen auf „technische Unwegbarkeiten“, die Antispekulationsmaßnahmen als unrealistisch erscheinen lassen.
Das Resultat ist bekannt. Keine einzige Regierung hat bis zum heutigen Tag den Versuch unternommen, der Bodenspekulation ein Ende zu setzen oder sie zumindest zu begrenzen.
Diese politische Passivität hat fatale soziale Konsequenzen.
Die ständig neuen Preisrekorde beim Kauf oder beim Mieten von Wohnungen führen erstens dazu, dass die Zahl jener Haushalte weiter zunimmt, deren Ausgaben für das Wohnen an die Grenze der Belastbarkeit stoßen.
Zweitens führt die ungehemmte Bodenspekulation zu einer sozial unverantwortlichen und nicht länger vertretbaren Umverteilung des Boden- und Immobilienbesitzes in Luxemburg zugunsten wohlhabender Familien.
Und drittens entzieht die Preisexplosion im Wohnbereich der übrigen Wirtschaft einen immer größeren Anteil der Kaufkraft der Bevölkerung.
Das Recht auf Wohnen ist ein Grundrecht. An diesem gesamtgesellschaftlichen Interesse hat sich die Politik zu orientieren und nicht an dem Partikularinteressen einer kleinen Schicht reicher Boden- und Immobilienbesitzer.
Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus und des öffentlichen, ob staatlicher oder kommunaler Boden- und Immobilienbesitzes ist unabdingbar aber keinesfalls ausreichend.
Wir brauchen eine Politik, die der Boden- und Immobilienspekulation ein Ende setzt und die einem weiteren Anwachsen der sozialen Ungleichheiten Einhalt gebietet.
Um gegen die Spekulation vorzugehen gibt es grundsätzlich zwei Hauptmaßnahmen. Verbot und Verteuerung. Beide müssen in Betracht gezogen werden.
Wegen der besonderen Art der Ware „Boden“ – diese ist objektiv begrenzt und kann im Gegensatz zu der Produktion anderer Waren nicht beliebig hochgefahren werden – ist es beispielsweise nicht abwegig, darüber nachzudenken, ob ein Erwerbsverbot ab einem bestimmten, sehr hohen Besitzstand an Bauland und Immobilien sowohl für inländische wie für ausländische Anleger gelten sollte. Alles das, was verfassungsrechtlich bzw. im Rahmen internationaler gesetzlicher Verpflichtungen möglich ist, sollte in diesem Sinne von der Regierung schnellstens überprüft werden.
Konsequentes Handeln von seiten der Regierung gegen die Spekulation ist jetzt angesagt.
Die andere Hauptwaffe gegen die Spekulation ist bekannt: will man Spekulation verhindern, dann muss man sie teuer machen!
In erster Linie über Steuergesetze, die sicherstellen, dass sich die Steuerlast mit zunehmendem Besitzstand an Bauland bzw. Immobilien progressiv erhöht, und zwar bis zu dem Punkt, ab welchem es für einen Kapitalanleger überhaupt kein objektives Interesse mehr gibt, es also finanziell keinen Sinn mehr macht noch zusätzliches Bauland oder zusätzlichen Immobilienbesitz zu erwerben.
Die letzten statistischen Erhebungen über die Preisentwicklung für Bauland und für Wohnungen und die Analysen über die Verteilung des Besitzes von noch bebaubarem Boden in Luxemburg (LISER-Observatoire de l’Habitat) untermauern den Handlungsbedarf. Konsequentes Handeln von seiten der Regierung gegen die Spekulation ist jetzt angesagt.
Oder müssen, wie bereits im Ausland geschehen, auch in Luxemburg Protestbewegungen betroffener Bürger entstehen?
André Roeltgen Präsident des OGBL