Das Prinzip der Steuerkraft1 stellt die Grundlage für die Progressivität der Steuertabelle dar: Der Steuersatz steigt in dem Maße, in dem das Einkommen steigt. Die unterschiedlichen Einkommensstufen werden demnach nicht in derselben Weise besteuert, sondern progressiv, gemäß einem Satz, der als Grenzsteuersatz (oder Stufenhöchstsatz) bezeichnet wird und mit dem Einkommen steigt (siehe auch nachstehend unter den Angaben zur Steuertabelle).
Somit sind versteuernde Jahreseinkommen unter 11.265 Euro nicht steuerpflichtig.
Bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 15.000 Euro sind diese 11.265 Euro ebenfalls nicht steuerpflichtig; die Einkommensstufe zwischen 11.265 Euro und 13.137 Euro wird mit 8 % (= 149,76 Euro) besteuert und die Stufe zwischen 13.137 Euro und 15.000 Euro mit 9 % (= 167,67 Euro). Dies stellt eine Steuer von 317 Euro dar, d. h. einen Durchschnittssteuersatz von 2,1 % (317/15.000)2 ; der Grenzsteuersatz (d. h. der für den steuerpflichtigen, oberen Bereich des Einkommens geltende Satz) beträgt bei diesem Einkommen 9 %.
Aufgrund der Progression der Steuersätze der verschiedenen Einkommensstufen steigt der Durchschnittssteuersatz mit dem Einkommen. Es ist logisch und gerecht, dass bei jemandem mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 20.000 Euro eine Gehaltserhöhung von 100 Euro weniger stark besteuert wird (12 %) als bei jemandem mit einem zu versteuernden Einkommen von 100.000 Euro (40 %).
Anders ausgedrückt: Eine Person mit einem höheren Einkommen kann einen größeren Teil ihres Einkommens „opfern“ als eine einkommensschwache Person, ohne dass ihr Lebensstandard darunter leidet. Wenn sich nun aber die Progression sehr stark auf die niedrigen und mittleren Einkommen konzentriert, wird die Steuertabelle ungerecht.
Probleme hinsichtlich der Gerechtigkeit und der Einhaltung des Prinzips der Steuerkraft können nicht nur in einer ungeeigneten Struktur der Steuertabelle begründet sein, sondern auch aus Steuerbefreiungen für bestimmte Arten von Einkommen resultieren. In Anbetracht der Besteuerungsunterschiede je nach Quelle des Einkommens (insbesondere der Unterschiede zwischen den Kapitalerträgen und den Einkünften aus Arbeit/Rente) ist offenkundig, dass in Luxemburg das Prinzip „gleiche Besteuerung für gleiches Einkommen“ nicht eingehalten wird.
Bei der Lektüre der untenstehenden Steuertabelle stellt man unschwer fest, dass sich die Progression der Besteuerung (d. h. der Anstieg des Grenzsteuersatzes) stark auf die Einkommensstufen zwischen 11.265 Euro und 46.000 Euro jährlich konzentriert und bei 200.000 Euro gedeckelt ist; dies führt zu einem Phänomen, das landläufig „Mittelstandsbuckel“ bezeichnet wird (siehe nachstehender Kasten).
Beispiel für die Besteuerung einer Erhöhung des zu versteuernden Jahreseinkommens um 1.000 Euro
Bei einer Erhöhung des zu versteuernden Jahreseinkommens um 1.000 Euro:
werden jemandem, der bereits über ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 50.000 Euro verfügt, 390 Euro zusätzlich abgezogen;
werden jemandem, der bereits über ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von 1.000.000 Euro verfügt, 420 Euro zusätzlich abgezogen.
Dieser geringe Unterschied im Hinblick auf die für diese zusätzlichen 1.000 Euro fällige Steuer berücksichtigt in keiner Weise die erheblich höhere Steuerkraft der zweiten Person.
Die Steuertabelle umfasst zugegebenermaßen drei „besondere“ – da sehr große – Stufen, die darauf abzielen, Einkommen über 100.000 Euro, 150.000 Euro und 200.000 Euro etwas stärker zu besteuern (nach wie vor in Klasse 1).
In der Praxis stellt dies jedoch das Nichtvorhandensein der Progression in bestimmten Teilen der Steuertabelle dar und, wie bereits erwähnt, die Konzentration der Progression auf die niedrigen und mittleren Einkommen. Somit wird eine Erhöhung des zu versteuernden Einkommens für jemanden, der 50.000 Euro verdient 3, in derselben Weise besteuert wie für jemanden, der 95.000 Euro verdient (39 %) – und fast genauso wie für jemanden, der 1.000.000 Euro verdient (42 %).
Zwar führte die jüngste Steuerreform zu Steuererleichterungen für praktisch alle Haushalte und ging mit einer geringfügigen Korrektur dieses Phänomens einher, doch schaffte sie es nicht, diesen „Mittelstandsbuckel“, der die mittleren Schichten der Steuerpflichtigen belastet, wesentlich flacher zu machen.
Wenn es auch nicht möglich ist, dieses Phänomen des „Mittelstandsbuckels“ vollständig aus der Welt zu schaffen, so sind doch zusätzliche Anstrengungen erforderlich, um diesen stärker abzubauen und die Progression der Steuer besser zu gestalten.