Offener Brief des OGBL-Präsidenten

Für das Recht des OGBL für gute Arbeitszeiten zu kämpfen!

Der Präsident der Handwerkerföderation hat auf RTL-Radio den Unabhängigen Gewerkschaftsbund Luxemburgs schwer angegriffen und gegenstandslose Behauptungen verbreitet. „Der OGBL ist ein Brandstifter“, der „OGBL will keinen Frieden in den Betrieben“ sind Unterstellungen, die jeder Grundlage entbehren und die vom OGBL mit Vehemenz zurückgewiesen werden.

Zunächst soll einmal daran erinnert werden, dass sowohl die arbeitsrechtliche als auch die tarifvertragliche Regelung der Arbeitszeit ein Kernbereich des gewerkschaftlichen Auftrags sind. In ihrer 100-jährigen Geschichte haben die freien Gewerkschaften Luxemburgs zahlreiche Auseinandersetzungen über die Länge des Arbeitstages und der Arbeitswoche geführt. Dabei musste jede Begrenzung der Arbeitszeit, jede Arbeitszeitverkürzung, jede Überstundenregelung und jeder Urlaubstag gegen den Widerstand des Patronats erkämpft und erstritten werden. Es war immer ein Kampf gegen den Willen des Patronats.

Und es war stets ein gewerkschaftlicher Kampf. Denn ohne ihre kollektiv organisierte Interessensvertretung – ein anderes Wort für Gewerkschaft – hätten die Arbeitstätigen in ihrem Ringen für bessere und gute Arbeitszeiten gegen das Patronat keine Chance gehabt.

Und dass sich an diesem historischen Tatbestand auch im Jahre 2016 nichts geändert hat, wird in diesen Wochen auf eindrucksvolle Art und Weise untermauert.

Zeter und Mordio schreien Vertreter der Patronatsorganisationen, weil ihnen die Entscheidung der Regierung über ein neues Arbeitszeitgesetz schwer aufstößt.

Die schweren Vorwürfe und Unterstellungen, die sie an die Regierung richten, sind nicht gerechtfertigt. Und doch gibt es für sie eine sehr einfache Erklärung.

Seit 2014 hatten die Patronatsvereinigungen ihre politische Lobbyaktivität für eine Reform der bestehenden Arbeitszeitgesetzgebung verstärkt. Das aus der Sichtweise der Interessen des Salariats schlechte PAN-Gesetz aus den 90er-Jahren sollte noch einmal verschlechtert werden.

Im Januar 2015 wähnte sich die UEL ihrem Ziel sehr nahe, als die Regierung in einem bilateralen Abkommen der UEL zugestand, die „Frage“ über eine gesetzliche Verlängerung der Referenzperioden in trilateralen Gesprächen einer „Analyse“ zu unterwerfen.

Die gesteigerte Erwartungshaltung der UEL sollte sich aus zwei Gründen als schwere Fehleinschätzung herausstellen.

Die UEL ignorierte zum einen den Umstand, dass die Regierung in dem Abkommen keineswegs einer gesetzlichen Verlängerung der Referenzperiode zugestimmt hatte. Der heutige Vorwurf der UEL an die Regierung, dass sie das Abkommen verletzt habe, ist abwegig und haltlos. Ebenso haltlos ist die Darstellung, die Unternehmer hätten eine „Vorleistung“ durch ihr „Wohlwollen“ hinsichtlich der Reform des Elternurlaubs erbracht. Sind sie nicht mehr an der Mobilisierung aller Arbeitskräfte – Männer und Frauen – für den Arbeitsmarkt interessiert?

Zum anderen verkannte die UEL die Tragweite der gewerkschaftlichen Reaktion des OGBL, der ab Januar 2015 nicht nur seinen kategorischen Widerstand gegen eine weitere Verschlechterung der Arbeitszeiten ankündigte, sondern seinerseits eine Reform des PAN-Gesetzes einforderte.

Das PAN-Gesetz hatte nämlich als „erstes Flexibilisierungsgesetz“ schwere Ungleichgewichte zuungunsten des Salariats und seiner Arbeitszeitinteressen eingeführt. Für den OGBL musste es deshalb bei den anstehenden Diskussionen vordergründig um die Schaffung neuer Gleichgewichte bei der gesetzlichen Regelung der Arbeitszeiten gehen.

Die Defizite der gegenwärtig noch gültigen PAN-Gesetzgebung lassen sich wie folgt resümieren.

  1. Flexibilisierung der Arbeitszeit durch die Einführung der monatlichen Referenzperiode. Zum Nulltarif. Die in Aussicht gestellte Arbeitszeitverkürzung blieb aus, weil sie nicht im Gesetz festgehalten wurde.
  2. Es wurde darüberhinaus eine an Absurdität kaum zu übertreffende Überstundenregelung eingeführt, deren Resultat in der Praxis dazu geführt hat, dass Mehrarbeit wie nie zuvor geleistet wird, diese aber nicht mehr als Überstunden mit entsprechendem Freizeit- oder Vergütungszuschlag verbucht wird.
  3. Die Möglichkeit gleitender Arbeitzeiten wurde ohne diesbezügliches Mitbestimmungsrecht der Werktätigen eingeführt.
  4. Und schließlich wurde auch noch das Prinzip der gesetzlich maximal möglichen monatlichen Referenzperiode unterwandert, da der Arbeitsminister – in Abwesenheit eines Kollektivvertrags –  eine längere Referenzperiode bis zu sechs Monaten genehmigen kann.

Es war vorhersehbar, dass angesichts dieses für die Beschäftigten negativen Gesetzes, der OGBL seine Bereitschaft über eine Ausdehnung der gesetzlichen Referenzperiode zu diskutieren, von drei Voraussetzungen abhängig machte.

Die erwähnten Defizite des PAN-Gesetzes müssten aus der Welt geschafft werden. Eine Erweiterung variabler Arbeitszeiten müsste mit einer Arbeitszeitverkürzung einhergehen. Und drittens würde eine Ausdehung der gesetzlichen Referenperiode über den Monat hinaus neue Fragen der Begenzung der Arbeitszeit für die Wahrung der Arbeitszeitinteressen der Werktätigen und für deren Gesundheit und Sicherheit aufwerfen.

Dass die monatelangen Diskussionen am 21. März 2016 definitiv scheiterten ist nicht auf den Umstand zurückzuführen, dass der OGBL nicht bereit gewesen wäre, über eine Ausdehnung variabler Arbeitszeiten zu verhandeln. Sie scheiterten, weil die UEL ihre initiale Erwartungshaltung nicht zurückschraubte. Für sie kam nur eines in Frage: Eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit mit noch weniger Begrenzungen und Schutzbestimmungen. Mit anderen Worten: eine noch stärkere Unterordnung der Arbeitszeit und Lebenszeit der Arbeitstätigen unter die (Profit)interessen der Unternehmen und ihrer Besitzer. Statt bestehende Ungleichgewichte im Gesetz abzuschaffen, sollten diese erhöht werden.

Wäre die Regierung den Vorstellungen der UEL gefolgt, wie sie vor einigen Tagen der Präsident der Handwerkerföderation in den Medien noch einmal vortrug und forderte, wäre es beispielsweise möglich geworden, einen Beschäftigten bis zu 208 Stunden im Monat zur Arbeit zu verpflichten!

Das Ganze selbstredend ohne Gegenleistung. Weder mit Überstundenzuschlag noch mit einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung. Diesbezüglich nur ein Zitat, stellvertretend für die vielen Wortmeldungen in den Medien das spontaneistische Getwittere der Patronatsvertreter: „Arbeitszeitverkürzung? Nur über meine Leiche“ war die Antwort, die ein führender Patronatsvertreter in den Äther einer luxemburgischen Radioanstalt schickte, als ihm die Frage über die vom OGBL als Gegenleistung eingeforderte 6. Urlaubswoche gestellt wurde.

Ja, es ist dem OGBL zu verdanken, dass im Verlauf der Verhandlungen die UEL mit ihren salariatsfeindlichen Forderungen ins Leere lief.

Und es ist auch der OGBL gewesen, der sich nicht im Gegensatz zu einer anderen Gewerkschaft ins Bockshorn jagen ließ, als die Unternehmerseite den Versuch unternahm, einen Keil zwischen die Gewerkschaft und die gewählten Betriebsräte zu treiben. Nach dem Motto „machen wir doch ein lockeres Gesetz und den Rest klären und regeln wir selbst in unseren Betrieben mit den Betriebsräten und unserem Personal“ versuchte die Patronatsseite ein gutes und leistungsfähiges Gesetz, das gleichberechtigt neben den Betriebsinteressen, auch die Salariatsinteressen wahrt, zu verhindern. Die über 2000 Personaldelegierten des OGBL wissen aus eigener und aus historischer Erfahrung, dass es in erster Linie guter gesetzlicher und/oder kollektivvertraglicher Rahmenbedingungen bedarf, um eine reale Mitbestimmung in u.a. Arbeitszeitfragen überhaupt erst möglich zu machen. Die Personaldelegierten des OGBL sind realitätsbewusst und resistent gegenüber solchen Ammenmärchen, die Unternehmer nur allzu gerne in die Welt setzen: „Bei uns im Betrieb gibt es nur Brüder und Schwestern. Wir brauchen keine Gewerkschaft, die Unruhe stiftet.“ Übrigens war es der OGBL, der in Bezug auf die gleitende Arbeitszeit die Forderung der Mitentscheidung der Betriebsräte auf die Tagesordnung brachte. Diese wurde jetzt von der Regierung zurückbehalten.

Und es stimmt auch, dass es der OGBL war, der eine neue Definition für die Überstundenregelung vorschlug. Und der auf die Notwendigkeit pochte, dass bei verlängerten Referenzperioden die monatliche Arbeitszeit in einem akzeptablen Ausmaß begrenzt werden muss. Und es war auch der OGBL, der auf die ersatzlose Streichung der Möglichkeit einer ministeriellen Erlaubnis für eine verlängerte Referenzperiode drängte.

Ist der OGBL deshalb ein „Brandstifter“? Ist der OGBL deshalb eine Gewerkschaft die „keinen Frieden in den Betrieben will“?

Der Präsident der Handwerkerföderation hat sich zu unbedachten Aussagen hinreißen lassen. Seine Aussagen sind zutiefst gewerkschaftsfeindlich und stellen das Recht des OGBL in Frage, für ein Arbeitszeitgesetz einzutreten, das die Interessen der Arbeitstätigen Luxemburgs für gute Arbeitszeiten und damit gleichzeitig für eine gute Zeit zum Leben, umsetzt. Mit solch ausfälligen Äußerungen stellt man sich gegen den sozialen Dialog in Luxemburg.

Die Regierung hat eine Entscheidung getroffen, die den Respekt aller implizierten Parteien verdient. Es ist mitnichten eine Entscheidung, die vom OGBL diktiert wurde. Auch diese Unterstellung weist der OGBL vehement zurück. Bei der Entscheidung der Regierung handelt es sich um einen Kompromiss, der den Interessengegensatz zwischen der Salariats- und der Unternehmerseite in der Arbeitszeitfrage gesetzlich auf einen gemeinsamen Nenner bringt.

Der OGBL richtet einen dringenden Appell an das gesamte Patronat diese Entscheidung sachlich zu überprüfen und wenn möglich Dampf abzulassen. Es sollte nicht verkennen, dass die Entscheidung der Regierung den Weg ebnet für Verhandlungen zwischen der UEL und dem OGBL im sogenannten interprofessionnellen Dialog. Die Themen über die Arbeitszeitkonten und über die Teilzeitarbeit stehen auf der Tagesordnung. So oder so. Der OGBL zieht die Option der sozialen Verhandlung vor.

André Roeltgen
Präsident des OGBL