Die OGBL-Exekutive analysiert die Empfehlungen der Europäischen Kommission für Luxemburg

Je unterschiedlicher, desto gleicher

Bei ihrer Sitzung vom 18. Mai hat die OGBL-Exekutive die 16. Aktualisierung des Stabilitäts- und Wachstums-programms (PSC) und das internationale Reformprogramm für Luxemburg im Rahmen des Europäischen Semesters (PNR) sowie die Empfehlungen der Europäischen Kommission für Luxemburg analysiert, die dem kommenden Europäischen Rat vom 25. und 26. Juni unterbreitet werden.

Zuerst hat die Exekutive die Feststellung der allgemein gesunden Lage der öffentlichen Finanzen zur Kenntnis genommen. Das PSC gibt hier an, dass Luxemburg in Bezug auf die öffentliche Verwaltung einen Überschuss von 289 Millionen Euro oder +0,6% des BIP hat, obwohl der Staatshaushalt 2014 auf einer Basis von einem Überschuss von 100,3 Millionen Euro oder +0,2% des BIP berechnet war. Der reale Überschuss liegt also um etwa 190 Millionen über dem geplanten!

Der OGBL stellt also mit Genugtuung fest, dass seine Warnungen in Bezug auf den übertriebenen Alarmismus hinsichtlich der dramatischen Siuation der öffentlichen Finanzen sich vollständig bestätigt sehen. Luxemburg ist und wird dies auch bleiben, laut Einschätzung der Regierung (Einschätzung für den Überschuss der öffentlichen Verwaltung: +0,1% im Jahr 2015, +0,7% in 2016, +0,8% von 2017 bis 2019), bester Schüler der Europäischen Union in Sachen Haushalt, und das obwohl man die negative Wirkung der Änderungen im Besteuerungssystem des elektronischen Handels (E-Commerce) miteinbezieht. Die Exekutive begrüßt in dem Zusammenhang auch den von der Regierung angekündigten Willen, ein hohes öffentliches Investitions-
niveau zu gewährleisten, und stimmt der Analyse zu, dass der aktuelle niedrige Investitionssatz die Aufschwungperspektiven in Europa stark einschränkt.

Bei der Debatte über den „Zukunfstpak“ und bei der Diskussion über die vermeintliche „Schuldenspirale“ hatte der OGBL darauf bestanden, nicht zu vergessen, dass außer dem hohen Niveau der öffentlichen Investi-tionen, die „Guthaben“ des Staates, sprich die Teilhaben des Staates an verschiedenen kommerziellen und nicht-kommerziellen Gesellschaften, sowie die beträchtlichen Reserven des Kompensationsfonds der Rentensysteme, die nunmehr die Schuldenquote der öffentlichen Verwaltung Luxemburgs übertreffen. Die Exekutive freut sich demnach darüber, dass die Regierung mittlerweile die finanziellen Guthaben berücksichtigt, die auf mehr als 35% des BIP bemessen werden, wobei die öffentliche Schuld sich Ende 2014 auf 23,1% des BIP belief (10,9 Milliarden Euro), und dass der Spitzenwert, so die Einschätzung der Regierung, sich in 2016-2017 auf 24,2% des BIP erheben wird. Die Regierung hat also recht, wenn sie behauptet, dass die „öffentliche Bruttoschuld sich im internationalen Vergleich auf einem absolut niedrigen Niveau bewegt“.

Die Exekutive hat ebenfalls die beeindruckende Entwicklung in Sachen Hochrechnung der guten Verfassung des staatlichen Systems der Altersrenten festgestellt. Während man 2012 der Meinung war – indem man die geschätzten Folgen der Rentenreform miteinbezog –dass die Beitragseinnahmen der Rentenversicherung ab 2031 nicht mehr ausreichen würden, um die Leistungen bezahlen zu können, so vertritt die Regierung heute die Meinung, dass ohne Beitragserhöhungen, und mit einer durchschnittlichen Rendite von 5% der Reserve (weit unter der jetzigen Rendite), diese Schwelle erst … 2054 erreicht wird! Die Warnungen des OGBL vor solch langfristigen Projektionen sehen sich also mehr als bestätigt. Dies ist der Beweis dafür, dass die Rentenreform von 2012 und die damit verbundene Verschlechterung der Leistungen überhaupt nicht notwendig waren. Die OGBL-Exekutive wiederholt demnach ihre Forderung, die Reform umzuändern, und damit die eingeleiteten Verschlechterungen zu stoppen, ohne dabei mögliche Beitragserhöhungen auszuschließen oder neue Finanzquellen einzuführen, wenn diese sich als notwendig erweisen, um eine Verschlechterung der Leistungen für die zukünftigen Generationen zu verhindern.

Die Exekutive staunt umso mehr darüber, dass die Europäische Kommission in ihren Empfehlungen schlicht und einfach die Analyse des PSC, die von der Luxemburger Regierung präsentiert wurde, ignoriert, und dass sie einfach nur ihre ewige Forderung wiederholt, die Frührente zu begrenzen und das Rentenalter anzuheben, indem man es an die Entwicklung der Lebenserwartung koppelt. Der OGBL ist der Meinung, dass diese Empfehlung nur die ideologischen vorgefassten Meinungen bestätigt, und keineswegs in Verbindung steht mit dem wahren Zustand des öffentlichen luxemburgischen Rentensystems.

Die Kommission wiederholt darüber hinaus ihre Forderung „das System der Lohnbildung nach Abspache mit den Sozialpartnern zu reformieren, entsprechend der nationalen Praktiken, damit die Löhne sich im Verhältnis zur Produktivität entwickeln, und das besonders auf sektoriellem Plan“. Der OGBL nimmt zur Kenntnis, dass dieser „Reformvorschlag“ nunmehr die Forderung nach Verschlechterung bzw. nach Abschaffung des Indexsystems nicht mehr beinhaltet. Er begrüßt übrigens, dass die Regierung selbst angibt, dass „das Bestehen der institutionalisierten Indexierung die Entwicklung der Stundenlöhne nur sehr geringfügig beeinflusst“, und dass „wenn es Unterschiede bei der Lohnstarre gibt, ihre Ursachen anderswo zu suchen seien als in den automatischen Indexierungsmechanismen“ (PNR, Seite 12). In jedem Fall sträubt sich der OGBL gegen einen erneuten Angriff der Europäischen Kommission auf die Lohnbildung, die der nationalen Souveränität untersteht.

Außer der Wiederholung bezüglich der Renten und des Systems der Lohnbildung, empfiehlt die Kommission, indem sie der Diskussion zur Steuerreform vorgreift, die für kommendes Jahr vorgesehen ist, die „Steuerbasis auszudehnen, insbesondere auf Konsum, auf die wiederkehrende Besteuerung der Immobilien und auf der Umweltsteuer“. Die Exekutive wehrt sich vehement gegen eine neue Erhöhung der indirekten Besteuerung, die sich noch zur Erhöhung der Mehrwertsteuer hinzufügen würde, die schon stattgefunden hat. Die Besteuerung des Konsums belastet überproportional die kleinen und mittleren Einkommen und ist somit sozial rückschrittlich. Im Hinblick auf die angekündigte Steuer-reform fordert der OGBL im Endeffekt über die Senkung der Steuerbelastung der kleinen und mittleren Einkommen gleichzeitig eine von der Regierung anvisierte „Neutralität des Haushalts“ zu garantieren, eine Erhöhung der Besteuerung auf anderen Einkommen, insbesondere auf Kapitaleinkommen, ohne dabei die Besteuerung der Unternehmen aus den Augen zu verlieren.

Die Exekutive zeigt sich schließlich überrascht, dass die Kommission nicht – wie 2014 – mehr Empfehlungen in puncto Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gibt, obwohl die Vorhersagen der Regierung bezüglich der Entwicklung der Arbeitslosigkeit von 7% heute auf 7,7% in 2019 zunehmen wird, was die bedeutende Zunahme der Arbeitslosigkeit seit Anfang der Krise noch verstärken wird. Für den OGBL muss der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und die Verstärkung der Absicherung der bestehenden Arbeitsplätze, besonders die der älteren Arbeitnehmer, absoluten Vorrang haben. Er erhofft sich diesbezüglich, dass die Gespräche, die im Rahmen des „Comité permanent du travail et de l’emploi“ (permanenten Arbeits- und Beschäftigungsausschusses) zu positiven Ergebnissen führen, und das trotz des inneren Widerstandes der Arbeitgeber.

Mitgeteilt vom OGBL
am 20. Mai 2015