Praktikum der Lehrer/innen und Qualität der Öffentlichen Schule

Offener Brief des SEW an Minister Meisch

 

Monsieur Claude Meisch
Ministre de l’Éducation nationale,
de l’Enfance et de la Jeunesse
L-2926 Luxembourg

Luxemburg, den 12. Februar 2015

Praktikum des Grundschullehrpersonals und Qualität der öffentlichen Schulen

Herr Minister,

Die Einführung eines Praktikums für die zukünftigen Lehrer war Thema in zahlreichen Gesprächen, sowohl bei den Studenten und den Lehrbeauftragten als auch bei den Grundschullehrern. Leider haben Sie es bisher nicht für notwendig gehalten, unserer Gewerkschaft eine Unterredung zu diesem Thema zu gewähren. Wir machen uns große Sorgen über den Vorentwurf eines diesbezüglichen Großherzoglichen Reglements, das von Ihrem Ministerium ausgearbeitet wurde.

Unsere Überlegungen gehen in verschiedene Richtungen: von den Sorgen der Studenten und der aktuellen Lehrbeauftragten zum Zugang zum Beruf bis hin zum guten Funktionieren unserer Schulen und zum Berufsprofil des Lehrers. Wir glauben, dass es unbedingt notwendig ist, über die zahlreichen Auswirkungen nachzudenken, die dieses Projekt auf die zukünftige Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer haben könnte. Auch sollte man nachdenken über die daraus entstehenden Kosten für den öffentlichen Unterricht im Allgemeinen, bevor eine solche Struktur eingeführt wird, bei der die Gefahr besteht, dass es einen negativen Impakt für die Eingliederung des zukünftigen Lehrpersonals gibt, auch wenn man wiederum in die Superstruktur investiert, und das auf Kosten der Schülerbetreuung in den Schulen.

Nun aber haben wir festgestellt, dass Sie am 30. Januar 2015 ein Gesetzesprojekt eingereicht haben, das die Gründung eines Instituts zur Ausbildung für den öffentlichen Unterricht mit sich bringt, ohne unsere Gewerkschaft im Vorfeld zu Rate zu ziehen. Da dieses Projekt sehr eng verbunden ist, mit der Organisation des zukünftigen Praktikums, muss es zusammen mit seinen Durchführungsrichtlinien analysiert werden.

Da wir die Gelegenheit nicht hatten, Ihnen unsere Gedanken mündlich bei einem Treffen darzulegen, überbringen wir sie Ihnen in einem offenen Brief, der dazu bestimmt ist, Ihnen unsere schweren Bedenken bezüglich der Qualität der öffentlichen Schule mitzuteilen.

Das Bildungssystem, das vom Vorprojekt des GHR vorgesehen ist, und für das Sie die Einführung einer Praktikumsspaltung der Grundschullehrer im Gesetzesprojekt Nr. 6773 baut auf das Modell, das für die Lehrer des Sekundarunterrichts und des Technischen Sekundarunterrichts vorgesehen ist, obwohl die ursprünglichen Ausbildungen total unterschiedlich sind. Sie sehen das übrigens selbst im Kommentar zum Artikel 4, den wir uns erlauben hier teilweise zu zitieren, ein: „Obwohl die Struktur der verschiedenen Lehrgänge gleichartig ist, so beinhalten diese Maßnahmen was ihre Organisation betrifft, offenkundige Unterschiede, die in vier verschiedenen Großherzoglichen Reglements aufgegriffen sind für die vier verschiedenen Arten von betroffenem Personal. Diese Unterschiede stammen aus der Ausgangsausbildung dieser unterschiedlichen Berufe so wie aus den Charakteristika in Verbindung mit den anvisierten Funktionen.“

Nun aber unterrichtet der oder die Praktikant/in im Sekundarunterricht zwölf Stunden pro Woche während seiner/ihrer Lehrgangsdauer, der oder die Praktikant/in im Grundschulunterricht muss hingegen 21 Stunden pro Woche unterrichten und in den meisten Fällen auch noch die Funktion des Klassenlehrers erfüllen. Der SEW/OGBL ist der Meinung, dass dieses Arbeitspensum in der Schule, der er/sie zugeordnet ist, nicht, mit den Ausbildungen und den von den Praktikumsbestimmungen, wie sie zwischen den Zeilen im Gesetzesprojekt Nr. 6773 zu lesen sind und wie sie im Vorentwurf des GHR erforderlichen Bewertungen, zu vereinbaren ist.

In den Bedingungen, die für das neue Praktikum der Grundschullehrer vorgesehen sind, werden die Praktikanten wählen müssen zwischen ihrem Einsatz in ihrer Lehraufgabe in den Schulen oder der Weiterführung ihrer beruflichen Laufbahn, indem sie eine Diplomarbeit verfassen und ihre Examen vorbereiten. Diese Wahl scheint uns total unangebracht, denn der Praktikant müsste in der Lage sein, sich komplett seiner Lehraufgabe, den Beziehungen mit den Schülern und den Berufskollegen in seiner Schule, der Elternberatung und der Überlegungen zur Weiterentwicklung seiner beruflichen Praxis, zu widmen.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die Schulen, die Praktikanten aufnehmen, durch diese Situation benachteiligt werden. Außer der pädagogischen Unterstützung, die der Praktikant nicht geben muss, und die also den Schülern, die sie brauchen, fehlen wird, wird es sehr schwierig sein, ihn in die verschiedenen Schulprojekte miteinzubeziehen, da er ein zu hohes Arbeitspensum hat. Anstatt auf die erfahreneren Kollegen einzugehen und seine eigenen Überlegungen zu deren Analysen beitragen zu können, bleibt der Praktikant Student, den Forderungen seiner Ausbilder unterworfen, was dazu führen kann, dass es ihm an Selbstsicherheit bei seiner täglichen Arbeit in der Schule fehlt.

Schließlich fragt sich der SEW/OGBL ob dieser Eintritt ins Berufsleben, bei dem der Praktikant einerseits die volle Verantwortung seiner Lehraufgabe tragen muss und gleichzeitig einer Bewertung unterliegt nach Kriterien, die nicht unbedingt mit den Bedürfnissen seiner Schüler und der Schule, in der er arbeitet, übereinstimmen, nicht die Gefahr in sich birgt, dass die zukünftigen Lehrer die Situation vor Ort vernachlässigen.

In der Hoffnung auf eine schnellstmögliche Unterredung mit Ihnen, so wie Sie es den Studenten und den Lehrbeauftragten bei Ihrem Treffen vom vergangenen 7. Februar versprochen haben, verbleiben wir, Herr Minister, mit freundlichen Grüßen.

Stellvertretend für den SEW/OGBL,
Patrick Arendt
Präsident