Das Wort des Präsidenten

Der Tag der Arbeit lebt

André Roeltgen, Président de l‘OGBL
André Roeltgen, Präsident des OGBL

1. Mai. Gefeiert wird ein historischer Kampftag der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, dessen Ursprung auf die Streiks in der nordamerikanischen Industrie für den Achtstundentag zurückgeht, die am 3. Mai 1886 in Chicago einen blutigen Höhepunkt hatten, als Arbeiterdemonstranten in den Auseinandersetzungen mit der Polizeigewalt den Tod fanden.

Für die internationale Gewerkschaftsbewegung ist der 1. Mai ein Gedenktag, der eine lebendige Brücke in die Gegenwart und in die Zukunft des Salariats schlägt. Die Arbeit ist nach wie vor die Voraussetzung für unsere materielle Existenz. Der Arbeitslohn, die Arbeitszeit und die Arbeitsbedingungen im allgemeinen sind jene Kernbegriffe, die heute wie gestern für die arbeitenden Menschen eine zentrale Lebensbedeutung haben.

Sie verbinden uns mit den 1886 streikenden Arbeitern des Haymarket in Chicago. Wir führen deren gewerkschaftlichen Kampf fort. Für uns und für unsere Familien.

Neben unserer Forderung für die Aufwertung des gesetz-lichen Mindestlohns und unserer Lohnpolitik in den Kollektivverträgen sind die direkten Verhandlungsgespräche, die der OGBL in diesen Monaten mit der luxemburgischen Regierung und dem Patronat führt, ein sehr gutes Beispiel für die Kontinuität unseres gewerkschaftlichen Einsatzes.

In diesen Diskussionen will der OGBL die sozialen und die beruflichen Perspektiven seiner Mitglieder absichern und verbessern. Wir wollen mehr Rechte und Möglichkeiten in der beruflichen Fort- und Weiterbildung. Wir wollen einen stärkeren gesetzlichen Schutz vor Kündigungen aus sogenannten wirtschaftlichen Gründen, um den Arbeitsplatz besser abzusichern. Gesetzliche Reformen bei den Beschäftigungs- und Sozialplänen sowie bei Betriebskonkursen sind ebenfalls notwendig. Das Recht auf den Vorruhestand bei Schichtarbeit muss verbessert und auf andere schwere Arbeitsbedingungen erweitert werden. Für rentenberechtigte Arbeitnehmer muss das Recht auf die selbstgewählte Kombination von Teilrente und Teilzeitarbeit jetzt eingeführt werden. Im Kampf gegen die Präkarisierung der Jugendarbeit drängt sich die gesetzliche Regelung der Betriebspraktika auf.

In der Verhandlung steht auch die PAN-Arbeitszeitgesetzgebung, die fast 20 Jahre alt ist. Dieses Gesetz verhindert die fortschrittliche Entwicklung der Arbeitszeiten in Luxemburg. Und diese ist seit längerem fällig. In Luxemburg liegt die durchschnittliche jährliche Arbeitszeit eines Vollzeit-beschäftigten um über 100 Stunden über der in der Eurozone gemessenen durschnittlichen Arbeitszeit. Und das bei einer Arbeitsintensität, die eine der höchsten, wenn nicht sogar die Höchste in Europa ist. Darüber hinaus hat die PAN-Gesetzgebung die Arbeitszeit über das Maß hinaus dereguliert und flexibilisiert.
In den allermeisten Fällen zum einseitigen Vorteil der Arbeitgeber. Unbezahlte oder nicht durch Freizeit ausgeglichene Mehrarbeit und fehlende Planungssicherheit bei der privaten Zeitgestaltung treffen viele Arbeitnehmer hart. Nicht umsonst wird der Ruf nach einer besseren Harmonisierung zwischen der Arbeitszeit und der Nichtarbeitszeit, sprich freien Zeit bzw. Privatleben, immer lauter.

Angesichts dieser Lage sind die Forderungen der Arbeitgeber für eine zusätzliche gesetzliche negative Flexibilisierung der Arbeitszeiten und für die Ausdehnung der sogenannten Referenzperiode absurd und für den OGBL inakzeptabel.

Der Zug muss in die andere Richtung gehen. Mehr freie Zeit, mehr Planungssicherheit bei Arbeits- und freier Zeit, eine neue gesetzliche Definition der Überstunde und eine Reihe weiterer gesetzlicher Bestimmungen, die die Arbeitszeit und die Gesundheit der Arbeitnehmer in der modernen Betriebswelt besser schützen, sind das Gebot der Stunde.
Gleichzeitig fordert der OGBL in diesem Zusammenhang den Gesetzgeber auf, das luxemburgische Kollektivvertragswesen zu unterstützen, weil kollektive Abkommen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften das beste Mittel für die betriebs- bzw sektorspezifische Arbeitszeitgestaltung im Interesse beider Seiten sind!
Am 23. April soll zwischen der Regierung, dem Patronat und den Gewerkschaften eine Zwischenbilanz der laufenden Gespräche erfolgen. Es werden bestenfalls erste Teilergebnisse vorliegen. Der OGBL wird sich für die Fortsetzung der Gespräche aussprechen. Die Wiederbelebung des sozialen Dialogs in Luxemburg ist möglich. Diese Chance sollte auch von den Arbeitgebern wahrgenommen werden.