Abkommen des 14. Januar, Reform der Berufsausbildung

Angriff der Regierung auf den gesetzlichen Mindestlohn

mindestlohn_vignetteDer OGBL ist empört darüber, dass die Regierung die erneute Reform der Berufsausbildung dazu ausnutzen will, um einen schweren Angriff gegen den qualifizierten Mindestlohn zu fahren. Die am 23. Dezember 2014 von der Regierung angenommene Gesetzesvorlage sieht in der Tat vor, dass Absolventen des CCP (Certificat de capacité professionnelle), sowie des ehemaligen CCM (Certificat de capacité manuelle) und CITP (Certificat d’initiation technique et professionnelle) künftig erst nach sieben Jahren Tätigkeit in ihrem Beruf Anrecht auf den qualifizierten Mindestlohn, statt wie bisher nach fünf Jahren (im Fall des CITP) bzw. nach zwei Jahren (im Fall des CCM/CCP), erhalten sollen. Die Betroffenen, die sich am unteren Ende der Lohnskala befinden, würden also zwei bis maximal fünf volle Jahre Lohnverzicht gegenüber der heutigen Gesetzgebung hinnehmen müssen. Zugleich stellt dies eine Abwertung dieser Diplome dar.

Diese Maßnahme wird nirgends in der Gesetzesvorlage begründet – weder in der Einleitung noch in den Kommentaren zu den einzelnen Artikeln. Tatsächlich gibt es auch keinen objektiven Grund für eine solche Verschlechterung des Rechts auf den qualifizierten Mindestlohn – bei einer mäßigen, phasenweise sogar rückläufigen Reallohnentwicklung, die zur Konsequenz hatte, dass der Mindestlohn um  lediglich 0,1% angepasst wurde; bei Arbeitskosten pro Stunde, die gerade in den betroffenen Sektoren aufgrund der niedrigen Lohnnebenkosten unterhalb jenen in Luxemburgs Nachbarländern liegen, beim weiterhin hohen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften. Es geht lediglich darum, den qualifizierten Mindestlohn abzuwerten und auszuhebeln. Als Folge wird die Lohnschere immer weiter auseinanderklaffen.

Dieser Angriff liegt ganz auf einer Linie des salariatsfeindlichen Abkommens zwischen der Regierung und der UEL, in dem u.a. das Recht auf den qualifizierten Mindestlohn nach zehn Jahren Berufsausübung als Reaktion auf eine Jurisprudenz, die im Grundsatz die Rechte der Arbeitnehmer bestätigte, als solches in Frage gestellt wird. Nicht nur ist dies ein unakzeptabler Angriff auf die Lohn- und Karriereperspektiven der betroffenen Arbeitnehmer, es ist zugleich ein direkter Eingriff in den laufenden Tarifkonflikt im Reinigungswesen, bei dem die Regierung offenbar einseitig Partei für die Patronatsseite und für dessen Profitstreben auf Kosten der Arbeitnehmer ergreift.

Die Arbeitnehmerkammer hat kürzlich dargelegt, dass Luxemburg europäischer Spitzenreiter bei den „working poor“ ist. So sind die luxemburgischen Arbeitnehmer dreimal stärker dem Armutsrisiko ausgesetzt als etwa ihre Kollegen in Belgien. Für den OGBL muss Armut trotz Arbeit ausgeschlossen sein. Es muss in Richtung einer strukturellen Aufwertung des gesetzlichen Mindestlohns überlegt werden, statt die berechtigten Ansprüche von Arbeitnehmern auf den qualifizierten Mindestlohn oder gar den Mindestlohn als solchen in Frage zu stellen.

Dieser Lohnangriff auf die einkommensschwächste Schicht der luxemburgischen Arbeitnehmer ist inakzeptabel und steht in einem flagranten Widerspruch zum Versprechen der Regierung keinen weiteren Sozialabbau betreiben zu wollen. Und wie soll auf der Grundlage eines solchen politischen Vorgehens der soziale Dialog funktionieren und gegenseitiges Vertrauen wieder aufgebaut werden?