Leitartikel

Aufschwung fördern, statt Arbeitnehmer weiter belasten!

redingIm Frühjahr dieses Jahres ließen u.a. die OECD und die europäischen Institutionen verlauten, dass die wirtschaftlichen Eckwerte sich verbesserten. Viele Gewerkschaftler und manche Wirtschaftswissenschaftler warnten vor überzogenem Optimismus. Dies nicht vorrangig wegen den wirtschaftlichen Auswirkungen der militärischen Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine, sondern hauptsächlich, weil es keine Anzeichen gab, dass die EU ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik ändern würde. Die EU-Politik ist einseitig export-orientiert und macht aus Wettbewerbsgründen Druck auf die Löhne. Nur ist es Tatsache, dass der Welthandel sich nicht so entwickelt, wie es sich manche gewünscht haben. Dieser Druck auf die Einkommen wird noch durch die allgemeine Spar- und Austeritätspolitik in der EU verstärkt. All dies hat zur Folge, dass die Einkommen vieler Arbeitnehmer und Rentner entweder stagnieren oder gar real rückläufig sind, was wiederum negative Auswirkungen auf die Binnennachfrage, den Konsum und die Investitionen der privaten Haushalte hat. Die moderne Budgetorthodoxie mit dem Dogma der Schuldenbremse ihrerseits führt dazu, dass Zukunftsinvestitionen auch in Ländern mit ausgeglichenen Staatshaushalten wie Deutschland, aus ideologischen Gründen nicht getätigt werden. Auf diese Weise droht Rezession und Deflation statt Wirtschaftsaufschwung. Die Arbeitslosigkeit wird auf hohem Niveau bleiben und die Einschnitte bei den Ausgaben der Sozialversicherungen, sowie steuerpolitische Maßnahmen zuungunsten der Arbeitnehmer und Rentner werden die sozialen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten weiter anwachsen lassen.
Diese Entwicklung bedroht auch Luxemburg, je nachdem welche budgetären und steuerlichen Maßnahmen die Regierung ergreift. Der OGBL bedauert, dass es bislang zu keiner globalen Aussprache über den geplanten Staatshaushalt gekommen ist, sondern bloß zu punktuellen Aussprachen.

Die Grenze des Zumutbaren ist für viele Arbeitnehmer und Rentner längst erreicht!

Auch in Luxemburg blieben viele Menschen von den Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht verschont, und wurden Opfer von Kurzarbeit, Restrukturierungen, wirtschaftlich bedingten Entlassungen und Konkursen. Sie mussten oft Lohneinbußen hinnehmen. Hinzu kommen die Auswirkungen der Indexmanipulationen bei den Löhnen und Renten, die Einschnitte bei den Sozialleistungen (Eigenbeteiligungen bei der Krankenkasse, De-facto-Kürzung der Entschädigung bei Elternurlaub und des Kindergeldes, Abschaffung des Kindergeldes ab 18 Jahre, Kürzung der Studienbeihilfen), Erhöhung der steuerlichen Belastung für Klein- und Mittelverdiener durch die Nichtanpassung der Steuertabellen an die Inflation, Krisensteuer, Erhöhung der Solidaritätssteuer, Kürzung der Fahrkostenpauschale, Rentenklau beim Ajustement.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer wird ebenfalls vorrangig die Konsumenten treffen. Die Diskussionen über die Lohnindexierung haben zum Resultat geführt, dass der Indexmechanismus 2015 wieder normal funktionieren wird. Dies ist eine positive Maßnahme und wird verhindern, dass die Mehrwertsteuererhöhung zu dauerhaften und schwerwiegenden Einbußen bei der Kaufkraft führt.

Auf dem falschen Weg!

Kurz nach Abschluss dieser Diskussionen wurde bekannt, dass die Regierung darüber nachdenkt eine Abgabe von 0,5% einzuführen, um Leistungen zugunsten der Betreuung von Kindern und Jugendlichen zu finanzieren. Sozialselektiv ist eine solche allgemeine Abgabe nicht, im Gegenteil.
Grundsätzlich ist der OGBL der Meinung, dass Infrastrukturkosten, Funktions- und Personalkosten in den vielfältigen Bereichen der Kinder- und Jugendbetreuung nicht über eine Abgabe zu finanzieren sind, sondern über den allgemeinen Staatshaushalt.
Wenn es darum gehen soll, bestehende oder zusätzliche familienpolitische Leistungen der Caisse nationale des prestations familiales über eine Abgabe zu finanzieren, bedeutet dies nichts anderes, als dass eine neue Sozialabgabe eingeführt wird die allein von den Familien bezahlt wird. Die familienpolitischen Leistungen (Kindergeld, Schulanfangszulage, Erziehungszulage, Zulage bei Geburt und Schwangerschaft, Kinderbonus, Entschädigung bei Elternurlaub) werden heute zur Hälfte durch Beiträge und zur Hälfte durch einen Beitrag aus dem Staatshaushalt bezahlt. Bis 1994 wurden die Beiträge von den Betrieben bezahlt, danach wurden diese Beiträge ebenfalls über den Staatshaushalt finanziert. Wenn die Regierung über eine neue Sozialabgabe Leistungen, auch Naturalleistungen, finanzieren will, muss dies mit den europäischen Bestimmungen über die Sozialversicherungen kompatibel sein. Ein Versuch, die Grenzgänger zahlen zu lassen, ohne dass sie die entsprechenden Leistungen bekommen, wird zu einem erneuten europäischen Fiasko führen, wie beim Kindergeld und bei den Studienbörsen.
Der OGBL hat der Regierung all diese Fragen und Bedenken mitgeteilt und zudem darauf hingewiesen, dass eine derartige Abgabe eine erneute Belastung der Realeinkommen der Arbeitnehmer und Rentner bedeuten würde. Dem kann der OGBL nicht zustimmen.

Jean-Claude Reding