Wer profitiert von einem „gedeckelten“ Index?

André Roeltgen, secrétaire général de l’OGBL
André Roeltgen, OGBL-Generalsekretär

1 Milliarde Euro Lohn- und Kaufkraftverlust für die arbeitende Bevölkerung. Dies dürfte in etwa im Jahr 2014 die stolze Bilanz der Indexmanipulationen seit 2006 sein.

Premierminister Jean-Claude Juncker hat jetzt seiner Partei CSV vorgeschlagen, diese massive Umverteilung zugunsten der Betriebe und der Kapitaleigner fortzusetzen. Der Angriff auf die Löhne soll weiter an Schärfe gewinnen.

Der „gedeckelte“ Index soll ins Wahlprogramm. Juncker, Wolter und andere haben die normal verdienende Mittelschicht im Visier, sagen es aber nicht laut. Denn würden sie es tun, wäre ihr Vorschlag futsch. Denn der „gedeckelte“ Index gedeiht nur solange  in den Köpfen der Leute wie sie ihn mit dem Bild des Spitzenverdieners verbinden, der Porsche fährt und dessen Pfund Butter denselben Preis wie das Pfund Butter des Mindestlohnverdieners hat.

Die absolut legitime Forderung vieler Menschen nach mehr Lohn- und Einkommensgerechtigkeit verlangt nach verantwortungsvollen politischen Antworten. Der „gedeckelte“ Index – das Kappen des automatischen  Inflationsausgleichs ab einer bestimmten Lohnhöhe – fällt in vielfacher Hinsicht nicht in diese Kategorie.

Die Behauptung, dass er zu mehr Lohngerechtigkeit führen würde, ist schlichtweg falsch. Die durch die Indexmanipulation frei werdende Lohnmasse würde nämlich keinesfalls nach unten umverteilt werden. Ein Lohnabbau bei der Mittelschicht zieht bekanntlich den Mindestlohn und die niedrigeren Löhne mit nach unten und nicht umgekehrt. Die „Deckelung“ kommt in erster Linie den Forderungen der OECD, der UEL und führender Politiker der CSV entgegen, die eine Aufweichung des Mindestlohns und dessen Revidierung nach unten anstreben. Darüber hinaus würde der gekappte Index das bestehende System der Kollektivvertragsverhandlungen kaputtmachen. Und der Einstieg in eine „Deckelung“ wäre ein Riesenschritt in Richtung des definitiven Aus des Indexmechanismus.

Und die Spitzenverdiener? Neben den Kapitaleignern und Betriebsbesitzern sind sie objektiv gesehen die Gewinner der Indexmanipulationen. Heute schon und noch viel mehr im Fall einer „Deckelung“. Ein Lohnabbau bei der Mehrheit der Lohnabhängigen erweitert nämlich die Spielräume ihrer Einkünfte. Ganz im Sinne der Aussagen des Präsidenten der Bankenvereinigung ABBL, der nicht müde wird zu fordern, dass es in erster Linie darum geht, die Einkommen der „Eliten“ zu verbessern. Sollte die Politik diesen Weg weiter einschlagen, wird die Lohn- und Einkommensschere in Luxemburg größer werden!

Der OGBL verlangt die totale Wiederherstellung des automatischen Indexsystems. Deshalb unser klares NEIN gegen jegliche neue und alte Manipulationsabsichten, die eine neue Regierung 2014-2019 hegen könnte. Und dass es ja nur keine Missverständnisse in dieser Hinsicht gibt. Der OGBL ist auch gegen eine Indexmanipulation à la „maximal nur eine Tranche pro Jahr“ oder in Form der Neutralisierung der Erdölprodukte. Mit anderen Worten: wenn sich eine LSAP oder Wirtschaftsminister Etienne Schneider gegen die „Deckelung“ aussprechen ist das ohne Zweifel positiv, aber keinesfalls ausreichend. Das gilt auch für die Partei der Grünen, die die Indexdeckelung ebenfalls ablehnt.

Luxemburg ist, sowohl wirtschaftlich als auch sozial, nicht mit neuen Angriffen auf den Index geholfen. Indexmanipulationen verschlechtern die Binnennachfrage, die besonders in Zeiten der  Rezession gestärkt werden sollte. Indexmanipulationen tragen ebenfalls nichts zu einer besseren öffentlichen Finanzlage bei.

Wer wirklich mehr Lohngerechtigkeit und mehr soziale Gerechtigkeit anstrebt, der muss den sozialen Dialog in den Betrieben und in den Kollektivvertragsverhandlungen dynamisieren und die Steuerlandschaft Luxemburgs gerechter gestalten. Letzteres schließt neben der Reform der allgemeinen Einkommenssteuer vor allem auch  Reformen bei der Besteuerung der Kapitaleinkünfte ein. Hier ist, ganz nebenbei gesagt, das Geld für den Beschäftigungsfonds und für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu finden und nicht – wie es Premierminister Juncker einseitig auf das Salariat abwälzen will  – über den Weg des „gedeckelten“ Index.