Leitartikel

„Oui au pouvoir de dire Non“

André Roeltgen, secrétaire général de l’OGBL
André Roeltgen, OGBL-Generalsekretär

„Oui au pouvoir de dire Non“ heißt es im Werbespot des OGBL, der momentan in den Kinos läuft. Nur ein Werbeslogan? Mitnichten. Es ist die legitime Pflicht des OGBL sich politischen Reformen zu widersetzen, die seinen 65.000 Mitgliedern den sozialen Rückschritt bringen. Und es ist die Aufgabe der Gewerkschaft den aggressiven Kurs, den das Patronat gegen die Löhne, die Arbeitsbedingungen und die soziale Sicherheit der arbeitenden Menschen eingeschlagen hat, mit aller Konsequenz zu bekämpfen.

Der OGBL hat stets dem Mittel des Sozialdialogs den absoluten Vorrang gegeben. Doch für den Sozialdialog muss eine wichtige Vorbedingung erfüllt sein: es muss eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zwischen den einzelnen Seiten geben!

Staatsminister Jean-Claude Juncker liegt falsch, wenn er glaubt, dass der OGBL sein „Dialogverständnis überdenken müsste“. Er irrt sich an der Adresse. Und zwar gewaltig. E.W. Contzen, Präsident der Bankiervereinigung will den Index liquidieren, die Löhne senken und die Arbeitszeit verlängern. C. Thelen, Wirtschaftssprecher der Handelskammer, (er)findet eine 35%-ige Produktivitätslücke beim Mindestlohn. Wie soll mit diesen Herren ein ernstzunehmender Sozialdialog aussehen? Der Extremismus, den diese Leute bei ihren Forderungen an den Tag legen, zersetzt seit längerem den sozialen Dialog in Luxemburg. Er ist Gift für den sozialen Frieden.

Der Staatsminister behauptet von sich, „noch immer ein Anhänger der Tripartite“ zu sein. Wenn dem so ist, dann obliegt es ihm mit seiner Regierung, den Sozialdialog in Luxemburg wieder zu beleben. Das wird aber so lange eine leere Hoffnung bleiben wie er und seine Regierung den Thesen des Patronats nicht kritischer gegenüber treten! Die Indexmanipulation ist nicht notwendig, sie ist falsch und senkt ab dem Monat März die Kaufkraft der Bevölkerung um Millionen Euro . Dieses Gesetz gehört abgeändert! Die Diskussion über die Subventionierung des Mindeslohns ist nicht nur überflüssig und falsch, sie ist darüber hinaus beleidigend und erniedrigend für 50.000 Mindestlohnverdiener an deren täglichen Arbeitsleistungen es überhaupt nichts zu bemängeln gibt.

Wie steht es mit dem Dialogverständnis der Regierung?  Im Dezember scheiterte ihr Versuch den OGBL in den sozialen Rückwärtsgang einzubinden, als der OGBL  den von der Regierung angestrebten „nationalen Konsens“ für die Manipulation des automatischen Indexsystems kategorisch ablehnte. Weiß der Teufel was diese normale Entscheidung der Gewerkschaft mit einer Politik des „leeren Stuhls“ zu tun hat!

Die Legitimationskrise, die bestimmte Leute aus Politik und Medien dem OGBL vorhersagten, findet nicht statt. Die angekündigte Austrittswelle ist ebenfalls ausgeblieben und hat die Form eines Mitgliederanstiegs angenommen. Und die aktive gewerkschaftliche Gegenwehr nimmt zu. Die Proteste gegen den Rentenabbau oder gegen die geplante Schulreform sind gute Beispiele dafür und für die fehlende Diskussionsbereitschaft der Regierung. Letztere kann man so beschreiben: die Form wird eingehalten, Anhörungen und Unterredungen finden statt. Aber inhaltlich bewegt sich überhaupt nichts!

Und das obwohl die Gewerkschaftsseite wie selten zuvor neben kritischen Analysen Alternativen in Hülle und Fülle auf den Tisch legt. In der Rentenfrage liegen Alternativen vor, die die Marschrichtung der Regierung, die einseitig auf Leistungsverschlechterung setzt und besonders die Jugend hart treffen wird, absolut überflüssig machen. Die Regierung muss die gewerkschaftlichen Alternativvorschläge einbeziehen und gleichzeitig die politischen Scharfmacher aus rechtskonservativen und grünen Kreisen, die sich für die antisolidarische Defiskalisierung der Renten und die Absenkung ihrer Beitragsdecke stark machen, in die Ecke stellen.

Die Regierung muss ebenfalls im Kampf für den Erhalt der Arbeitsplätze und der Wirtschaftsaktivitäten in Luxemburg neue Akzente setzen.

Bei der Luftfrachtgesellschaft Cargolux hat die Regierung die Übernahme und die Verstaatlichung der Cargolux durch den Katar zu verhindern. Sollte eine Kapitalerhöhung notwendig werden, dann muss ein luxemburgischer Staatsanteil dem katarischen Staatsanteil vorgezogen werden. Oder wollen wir für die Cargolux, die Luxair und die Flughafenaktivitäten eine Entwicklung auslösen, die wir bereits in der Stahlindustrie erleben?

Die Schließung der Stahlstandorte Schifflingen und Rodange darf nicht passieren. 600 industrielle Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. ArcelorMittal muss unverzüglich verbindliche Investitionspläne und Finanzierungsgarantien für den Erhalt und die Modernisierung aller luxemburgischen Stahlstandorte auf den Tisch legen. An Geld scheint es ArcelorMittal ja nicht zu fehlen. Neben satten Dividenden sind 2011 die  Bonuszahlungen an die Konzernleitung stark erhöht worden. Um skandalöse 138%! Für Lakshmi Mittal sind es 199%! Zu den Empfängern der Bonusmillionen gehört auch Michel Würth, der als Präsident der luxemburgischen Patronatsorganisation UEL und als Präsident der Handelskammer die Abschaffung des Index und die drastische Senkung unserer Löhne fordert.