Unsere Gesundheit ist kein Business

Die beiden rezenten Interviews des Präsidenten der liberalen Ärzteschaft (AMMD) im Luxemburger Wort sowie auf RTL-Radio, stellen eine hohle, inhaltlich falsche und unnötig polemische Attacke auf die Arbeitnehmer des Gesundheitssektors, sowie auf die, die unser Gesundheitssystem zum großen Teil mitfinanzieren, nämlich die Arbeitnehmer und Rentner Luxemburgs dar. Es sind diese Menschen, die in einer überwiegenden Mehrheit durch die federführende Gewerkschaft im Gesundheitswesen, dem OGBL, in den Gremien der Gesundheitskasse (CNS) sowie in den Verhandlungen der Arbeitsbedingungen im Sektor vertreten sind….

Der Präsident der AMMD scheint darüber hinaus ebenfalls zu vergessen, dass genau diese Menschen auch die Mehrheit der Patienten in Luxemburg darstellen. Zwischen beiden Gruppen rhetorisch zu unterscheiden ergibt also nur wenig Sinn, sei es denn nur zur Täuschung der eigentlichen Tatsachen.

Tatsache ist nämlich, dass der OGBL sich immer für ein Gesundheitswesen stark gemacht hat, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt und das die Interessen der Patienten schützt. Tatsache ist auch, dass dieser Schutz nur in einem Gesundheitswesen garantiert werden kann, das eine öffentliche Entwicklungslogik verfolgt und nicht von einer Gewinnoptimierung auf Kosten der Allgemeinheit und der Versicherten inspiriert wird. Die Gesundheit der Menschen darf niemals zu einer Ware werden und auch nicht zu einem Mittel, um privatkommerzielle Ziele zu verwirklichen. Unsere Gesundheit ist kein Business. Gegen solche Tendenzen wird der OGBL sich immer wehren.

Tatsache ist andererseits auch, dass die von der AMMD verteidigten Privatisierungstendenzen vor allem für die liberale Ärzteschaft, sowie für nationale und internationale Großinvestoren, sehr lukrativ sein können. Tatsache ist auch, dass Alain Schmit vergessen hat dies in seinen Interviews zu erwähnen. Ob dabei den oben genannten Großinvestoren, die dabei sind in Luxemburg in Strukturen und das dazugehörige Material zu investieren, die morgen als kommerziell geführte ambulante Zentren geführt werden sollen, immer nur das Wohl des luxemburgischen Patienten am Herzen liegt, ist mehr als unwahrscheinlich.

Ebenfalls unerwähnt bleibt die Tatsache, dass der OGBL sich nicht gegen eine geografische Dezentralisierung der ambulanten Dienste ausgesprochen hat. Jedoch sollten diese im Sinne einer qualitativen Behandlung des Patienten öffentlich geführt werden, um so die soziale Sicherheit wie wir sie heute kennen nicht zu gefährden und darüber hinaus die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer abzusichern. Es dürfte in diesem Zusammenhang jedem bewusst sein, dass nur durch gute und abgesicherte Arbeitsbedingungen heute und in der Zukunft eine hohe Qualität in der Betreuung der Patienten garantiert werden kann.

Es war doch gerade unser starkes öffentliches Gesundheitssystem, das unsere Gesellschaft bislang verhältnismäßig sicher durch 2 Jahre weltweite Pandemie geführt hat. Eine fortschrittliche Vision für die Zukunft unseres Gesundheitswesens sollte also logischerweise gerade eine Stärkung und den Ausbau dieses Systems vorsehen. Einen Gesundheitsmarkt zu erschaffen, der sich kommerziellen Profitregeln unterwerfen würde, wäre eine fatale Fehlentscheidung, die das Solidaritätsmodell auf dem unsere soziale Sicherheit beruht, schrittweise seiner Substanz berauben würde. Ein solches Modell führt unweigerlich zu einer strukturellen Zwei-Klassen Medizin, die bestenfalls noch eine «Minimalversorgung» für die größten Teile der Bevölkerung vorsehen wird.

Seit Jahren fordert der OGBL außerdem eine Stärkung der Salariatsmedizin um dem Ärztemangel entgegen zu wirken. Immer mehr junge Mediziner fordern geregeltere Arbeitsverhältnisse und sprechen sich für eine Anstellung aus oder entscheiden sich dafür nach Abschluss des Studiums in einem geregelten Angestelltenverhältnis in ihrem Ausbildungsland zu bleiben. Jedoch würde die Stärkung eines solchen Systems den profitorientierten Ärzten, die die AMMD-Führung vertritt einen Strich durch die Rechnung machen. Es sind nicht zuletzt die ungleich verteilten Tarife, die von der AMMD verhandelt werden und vor allem einigen wenigen spezialisierten medizinischen Berufen zugutekommen, die vielen Ärzten in Luxemburg zu schaffen machen. Es sind jedoch genau sie, die oft in der Argumentation benutzt werden, um für eine stärkere Liberalisierung des Systems zu plädieren. Dabei sind diese Probleme «hausgemacht» und keinesfalls eine natürliche Konsequenz der öffentlichen Reglementierung.

Darüber hinaus ist es gerade die von der AMMD gepriesene Privatisierung der ambulanten Medizin, die den Ärztemangel in den Krankenhäusern verstärken würde. Dies aufgrund der verhältnismäßig intensiveren Arbeitsbedingungen auf den Stationen und den notwendigen Bereitschaftsdiensten im Krankenhausbereich.

Der Anspruch auf ein modernes und sozial fortschrittliches Gesundheitswesen ist nicht von der wichtigen Vorgabe der zielgerichteten effizienten Verwendung der öffentlichen Gelder zu trennen. Es gilt heute die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen und das luxemburgische Gesundheitswesen bestmöglich auf alle zukünftigen Herausforderungen vorzubereiten. Nur durch eine Erweiterung eines starken öffentlichen Gesundheitssystems mit gleichem Zugang für alle und mit optimalen Arbeits- und Lohnbedingungen für sämtliche Arbeitnehmer, kann dies erreicht werden. Die negativen Auswirkungen der Liberalisierung und Privatisierung des Gesundheitswesens, nämlich die Vernachlässigung der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen und ihrer Leistungen die in vielen Ländern zu beobachten sind, dürfen Luxemburg nicht als Zukunftsmodell dienen.

Aus diesem Grund muss sich die luxemburgische Gesundheitspolitik den wirtschaftlichen Partikularinteressen widersetzen und dem korporatistischen Druck der liberalen Ärzteschaft und die damit wachsende Gefahr der Abhängigkeit vom privaten Kommerz gesetzlich abwehren.

Mitgeteilt vom OGBL
am 28. April 2022